23. November 2015

"Wenn einer eine Reise tut" von Ulla Schmid

In ihren humorvollen Anekdoten berichtet Ulla Schmid von ihren Reiseerlebnissen aus Griechenland, Spanien, Hawaii, Israel und Italien. Angereichert mit vielen geschichtlichen Hintergrundinformationen beschreibt die Autorin ihre Erfahrungen mit der Ironie, die man benötigt, um manche Reisestrapaze erfolgreich zu bestreiten. „Die größte Sehenswürdigkeit, die es gibt, ist die Welt. Sieh sie dir an“, sagte einst Kurt Tucholsky. Zumindest in seiner Zeit, war es sicher nicht leicht, einfach so zu verreisen und sich die Welt anzusehen. Einem großen Teil der Menschen seiner Zeit war es nicht vergönnt, auf Reisen zu gehen. Heute steht es doch vielen Menschen offen, zu verreisen – im eigenen Land oder im Ausland – oder aber seinen Urlaub auf Balkonien zu verbringen – jeder so wie er mag.

Er kann mit einem Rucksack auf dem Rücken wandern, Rad fahren, sich mit einem Buch an einen See legen und sich ausruhen oder in diesem See ein paar Bahnen schwimmen, sich bilden, ein Museum oder eine Kirche besuchen, in der Disco abtanzen, auf einen Berg steigen oder sich an einem Strand braune Hautfarbe zulegen, im Meer Wassersport über und unter Wasser betreiben oder sich in einer Großstadt umsehen. Vielleicht fährt auch lieber jemand Schi oder wandert im Schnee. Zur Ruhe kommen, Seele baumeln lassen oder sich in Aktivitäten stürzen – auch jeder so wie er mag. Er kann alleine oder in einer Gruppe verreisen. Er kann in ein Flugzeug, in einen Zug oder in einen Bus steigen, je nach dem, wo es ihn hinzieht oder eine Kreuzfahrt machen. Es gibt der Möglichkeiten viele. Ich habe einige dieser Möglichkeiten ausprobiert.

Warum verreise ich? Ist es die Tristesse und der Alltagstrott, das „Ich muss meine vier Wände verlassen und was anderes sehen?“ Bekommt man, bei seinen Problemen eine andere Sichtweise, wenn man mal wegfährt und dann wieder nach Hause kommt? Ja, auch. Bekommt man überhaupt eine andere Sichtweise? Mit Sicherheit. Oder das Gefühl im Urlaub doch keinen Urlaub zu haben, weil der Alltagstrott zu Hause eben doch nicht unterbrochen wird?

Noch schöner als das Abfahren ist allerdings das Nach-Hause- Kommen – zu wissen, dass ich immer wieder auf Reisen gehen und immer wieder heim kommen konnte.

Gleich lesen: Wenn einer eine Reise tut - Reiseanekdoten>

Leseprobe aus "Es fährt ein Zug nach Griechenland"
Schon in der Schule war ich an Ländern wie Griechenland, Italien, Israel sehr interessiert, hauptsächlich der Geschichte und der Kultur wegen. Nur hatte ich damals nicht daran gedacht, dass ich in diese Länder auch mal reisen könnte und meine erste Reise nach Griechenland ging mit dem Zug. Es war Mitte Mai und das ist eine ideale Zeit für Griechenland. Was die Zugreise betraf wurde es ein Horrortrip. Von Donnerstagmorgen bis Sonntagmorgen sah ich mit 35 Mitreisenden, darunter mit mir 27 Mädels und Frauen im Alter zwischen 18 und 33 Jahren, nichts als den Akropolis-Express, der erstens mal so langsam fuhr, dass ich unterwegs noch locker hätte Blumen pflücken können und zweitens in Jugoslawien auf freier Strecke sehr oft angehalten hatte, auch hier gab es öfter Gelegenheit, Blumen zu pflücken – und immer wieder gab es Passkontrollen. Wir waren erst an der österreichisch-jugoslawischen Grenze, als ich schon erste Unlust verspürte, noch länger in diesem Zug zu bleiben. Allerdings wurde ich durch schöne Landschaften entschädigt, die ich aber auch nicht immer mitbekam, da ich immer wieder einnickte. Man konnte noch lesen, Kartenspielen oder Handarbeiten, aber nicht drei Tage lang. In der Nacht von Samstag auf Sonntag, um Mitternacht, passierten wir die jugoslawisch/griechische Grenze und es dauerte immer noch vier Stunden bis wir wie erschlagen in Athen mit unserem Gepäck am Bahnhof standen. Wie wir in unser Hotel im Athener Stadtteil Kerameikos gekommen sind, wusste ich nicht mehr und vom 1. Tag in Athen weiß ich auch nicht mehr so viel.
Wir blieben 6 Tage in Athen, von wo wir Ausflüge unternahmen. Nach einem kurzen Ausruhen fühlten wir uns alle so weit fit, dass wir an einem ausgiebigen Besichtigungsprogramm teilnehmen konnten. Wir besichtigten die Akropolis, was in Athen ein unbedingtes Muss ist, besuchten den Syntagma- und den Omonia-Platz und sahen vor dem griechischen Parlament die Wachablösung. Wir gingen tagsüber in die Plaka, das ist die Altstadt, und wir besuchten diese auch nachts. Irgendwie wirkte die Plaka bei Nacht ganz anders. Hier tobte das Leben.
Mit einem Stadtplan von Athen ausgestattet machte eine der vier mitreisenden Brigittes und ich mich auf eigene Faust auf den Weg in die Innenstadt. Da wir die kyrillische Schrift nicht kannten, hätten wir diesen Stadtplan wegwerfen können, wann wir gewollt hätten. So umrundeten wir mehrmals den Omoniaplatz und verpassten immer die Abzweigung in unser Hotel. Leichte Panik stieg in uns hoch, und wir mussten uns sehr an die Kandare nehmen und zur Ruhe mahnen. Wir waren schon nahe dran, uns ein Taxi zu nehmen, was aber bei mir zu einem Problem geführt hätte: Mir fiel der Name unseres Hotels nicht mehr ein. Die Häuser sahen alle gleich aus, aber irgendwann ein Mal war es geschafft: Wir waren im Hotel. Athen ist eine faszinierende Stadt.
Auf einem Schiff fuhren wir zur Insel Aegina, wo wir noch das typische Griechenland zu sehen bekamen. Hier ging alles viel weniger hektisch zu als in Athen. In einem Straßencafe hätte ich mich gerne noch länger aufgehalten.
Eines Abends bat uns der Besitzer des Hotels darum, deutsche Volkslieder zu singen. Mit Liederbüchern und Getränken ausgestattet, er hielt uns den ganzen Abend frei, sangen wir bis uns der Hals wehtat – und das war drei Stunden lang. Es war die einzige Nacht dieses Urlaubs, in der ich vor Mitternacht ins Bett kam.
Von Athen aus fuhren wir nach Kap Sounion, dem südlichsten Punkt auf dem griechischen Festland, um einen Sonnenuntergang zu erleben. Schon die Fahrt dorthin war ein Erlebnis. Die Landschaft war einmalig und wir fuhren an der attischen Küste lang mit Ferienhäusern, Pensionen, Villen, Hotels und einer Pflanzenpracht, die einen immer wieder in Begeisterungsrufe ausbrechen ließ. Hier sah ich zum ersten Mal Bouganvillea. An den weißen Häusern mit den blauen Fensterläden sah das fantastisch aus. Wir hatten noch ein wenig Zeit bis die Dämmerung hereinbrach und sich die letzten Sonnenstrahlen zwischen den Säulen des Poseidon-Tempels brachen.
Poseidon, der Meeresgott, und Athene, die Zeus-Tochter, Göttin der Weisheit, traten in einen Wettstreit: Wer von ihnen sollte von den Menschen mehr verehrt werden? Poseidon ließ eine Wasserquelle sprudeln – allerdings war das Salzwasser. Damit konnten die Griechen nichts anfangen. Athene dagegen brachte den Griechen die Olive. Sie wurde deswegen sehr verehrt und sie wurde auch immer mit dem Olivenzweig dargestellt.
Ein längerer Ausflug führte uns in den alten griechischen Kulturlandschaften zu den Städten Mykene, Korinth, Nauplia, Epidaurus und Delphi. Die Namen dieser Städte weckten meine Neugier. Wir hatten eine erstklassige Reiseleiterin in dieser Zeit, die uns sehr ausführlich über die griechische Mythologie aufklärte. Da ich an dieser sehr interessiert war und immer noch bin, hatte ich das Gefühl jeden Stein und jedes alte Gemäuer genau anschauen zu müssen. Begierig hing ich an den Lippen der Reiseleiterin um ja nicht ihre ausführlichen Erklärungen über die griechische Mythologie und Geschichte zu verpassen, auch wenn ich das alles schon gewusst habe.
Der Legende nach soll Perseus Mykene gegründet haben. Hier herrschte Agamemnon mit seiner Klytamenestra bevor sich Agamemnon als Anführer der Griechen zum Kampf gegen Troja aufmachte. Der trojanische Prinz Paris hatte die Schwägerin Helena des Agamemnon, sie war die Frau seines Bruders Menelaus, geraubt, soll heißen Helena ging freiwillig mit. Bevor die griechischen Krieger nach Troja absegelten, mussten sie unter dem mykenischen Löwentor durchschreiten – sonst gäbe es keinen Sieg für die Griechen. Wir marschierten auch unter dem Löwentor durch, aber in friedlicher Absicht. Wir zogen in keinen Krieg. Es gab noch einige andere Bedingungen, die die Griechen erfüllen mussten um mit einem Sieg rechnen zu können. Bis es soweit war, mussten die Griechen nach Verbündeten suchen und auch die Trojaner konnten, nachdem die Griechen an der Küste der heutigen Westtürkei gelandet waren, starke Verbündete auftreiben. Allerdings war der Untergang Trojas schon beschlossen und anscheinend hatte die Zwillingsschwester des Paris, Kassandra, die Trojaner immer wieder gewarnt – niemand glaubte ihr.
Auch könnte der Krieg gegen Troja einen anderen Grund gehabt haben als eine schöne Frau. Troja war unwahrscheinlich reich und die trojanischen Könige, von denen der letzte Priamos war, waren nicht sehr diplomatisch. So heißt es auch in der Mythologie, dass der Meeresgott Poseidon beim Aufbau der Stadtmauer Trojas mitgearbeitet und der damalige König ihm den Lohn vorenthalten habe. Und ausgerechnet diesem Poseidon mussten sich nach dem Sieg der Griechen überlebende Trojaner unter ihrem Anführer Aeneas, dem Sohn der Göttin Aphrodite und Zeusenkel, anvertrauen. Aber Zeus mahnte Götter und Göttinnen, die die Trojaner hassten, zur Ruhe. Seine Gattin Hera war die ärgste Feindin der Trojaner und sie griff immer wieder entgegen des Befehls ihres Gatten in das Geschehen ein um den Trojanern zu schaden. Es war vorgesehen, dass die Nachkommen der überlebenden Trojaner in Italien Rom gründen sollten. Es sollte sehr lange dauern, bis sich Hera mit den Nachkommen des Aenas, den Römern, ausgesöhnt hatte.
Dazu war Frauenraub in dieser Zeit normal, auch von Seiten der Griechen. Aber auch mit Diplomatie wäre Troja nicht mehr zu retten gewesen. Von Nauplia aus sollen die Griechen in See gestochen sein.

Im Kindle-Shop: Wenn einer eine Reise tut - Reiseanekdoten

Labels: , , ,

20. November 2015

"Erkül Bwaroo und der Mord im Onyx-Express" von Ruth M. Fuchs

Als Erkül Bwaroo mit seinem Freund Dr. Artur Heystings im „Onyx-Express“ reist, geschieht ein Mord. Natürlich macht sich Bwaroo mit seinen kleinen grauen Zellen schnell daran, den zu finden, der die blutige Tat vollbrachte. Außer Bwaroo und Heystings fahren noch zwölf weitere Fahrgäste in diesem Zug. Alle kannten den Toten, dessen Verlobte sich vor einigen Jahren umbrachte. Jeder hat ein Motiv. Möglicherweise wollte die Mutter der Verlobten ja Vergeltung üben. Oder die Schwester der Toten beging den Mord, um Rache zu nehmen. Vielleicht war es aber auch die kapriziöse Operndiva, die so schlecht auf ihren Eiderdaunendecken schlief? Ist die Pianistin, die Heystings den Kopf verdreht, wirklich so harmlos, wie sie scheint? Und was versucht der kämpferische Zwerg zu verbergen?

Der Elfendetektiv und sein Freund finden sich bald in einem Netz von Geheimnissen, Skandalen und Intrigen wieder, als sie versuchen, den Täter zu entlarven. Zwölf Verdächtige, zwölf Motive. Ein Mörder. Oder ist doch alles ganz anders?

Gleich lesen: Erkül Bwaroo und der Mord im Onyx-Express (Erkül Bwaroo ermittelt 4)

Leseprobe:
In diesem Moment ertönte aus dem benachbarten Waggon ein Schrei.
Im Speisewagen war es schlagartig still, und alle schauten zum Durchgang. Nur Bwaroo war bereits aufgesprungen und eilte in Richtung des Schreis. Es ist bemerkenswert, wie schnell und wendig dieser kleine, rundliche Elf sein kann, wenn er es will. Ich stürzte hinter ihm her und sah aus den Augenwinkeln, dass Gneiß wiederum mir eilig folgte. Wir mussten nicht weit laufen. Tony stand wie vom Donner gerührt vor der offenen Tür von Kabine 4 und starrte hinein.
Ich kam praktisch gleichzeitig mit Bwaroo an, und wir blickten beide in das Abteil. Es bot ein Bild der Verwüstung – alles war durcheinander geworfen worden. Und auf seinem Bett lag blutüberströmt Moris Kreidell. Der Arzt in mir gewann die Oberhand, und ich wollte hinein um nach dem jungen Elf zu sehen. Doch Bwaroo hielt mich zurück und schüttelte sachte den Kopf. Natürlich hatte er Recht. Der glasige Blick, mit dem Kreidell ins Leere schaute, die unnatürliche Haltung und das Ausmaß seiner Verletzungen, das man selbst aus der Entfernung abschätzen konnte, ließ keinen Zweifel daran, dass der junge Mann bereits tot war.
„Hier ist ein Verbrechen geschehen, Heystings“, sagte Bwaroo leise. „Wir müssen vorsichtig sein, um keine Spuren zu verwischen.“
„Was ist passiert?“, fragte da Gneiß und schob sich neben uns. „Oh.“ Betroffen blickte er auf den Toten.
„Ich ... ich … wollte nur das Bett machen“, stammelte Tony. „Ich dachte, er wäre beim Frühstück, und ich ...“
Der Zugbegleiter zitterte am ganzen Leib.
„Kommen Sie“, kam Gneiß ihm zu Hilfe. „Sie brauchen jetzt erst einmal einen Schnaps. Ich kenn mich da aus …“ Er nahm Tony am Arm und schob ihn freundlich aber bestimmt in Richtung Speisewagen. „Die Sache hier ist bei Herrn Bwaroo in den besten Händen“, redete er dabei beruhigend auf ihn ein. „Sie können da gar nichts tun.“ Er nickte uns beiden noch über die Schulter kurz zu, ehe er endgültig mit Tony verschwand.
„Guter Mann“, meinte ich, während ich ihm nachsah. „Bewahrt einen kühlen Kopf und tut das Richtige. Da merkt man den Militär.“
Bwaroo hatte inzwischen vorsichtig den Tatort betreten und sich der Leiche genähert. Ich folgte ihm. Nachdem er Körper und Bett genauestens begutachtet hatte, nickte er mir zu.
„Sie können den Toten jetzt untersuchen. Erkül Bwaroo hat alles gesehen“, erklärte er und trat zur Seite.
Ich beugte mich über den toten Elfen und öffnete vorsichtig sein blutverschmiertes Hemd.
„Meine Güte, was für ein Gemetzel“, entfuhr es mir. „Jemand hat wie von Sinnen auf diesen Körper eingestochen! Völlig wahl- und planlos. Da sind acht ... neun ... nein, zwölf Stiche! Mindestens zwei davon waren tödlich! Zwei andere sind dafür kaum mehr als Kratzer. Es scheint, als hätte jemand die Augen geschlossen und in blinder Wut immer wieder zugestochen.“ Ich untersuchte seine Hände und Arme, die unversehrt waren. „Anscheinend hat Kreidell sich gar nicht gewehrt. Seltsam.“
Ich blickte auf und sah Bwaroo, wie er den Stock mit der aufgerichteten Kobra betrachtete. Natürlich war mir bekannt, dass Bwaroo eine Schwäche für ungewöhnliche Spazierstöcke hatte. Doch hier schien mir das doch ziemlich fehl am Platz zu sein.
„Also wirklich, Bwaroo ...“, tadelte ich.
„Oui, Heystings. Je suis d'accord“, erklärte er. „Ich bin völlig Ihrer Meinung ...“ Er machte eine schnelle Drehung aus dem Handgelenk heraus und hielt plötzlich einen kurzen Degen in der Hand, dessen hölzerne Scheide klappernd zu Boden fiel. „Es ist seltsam, dass er sich nicht wehrte. Noch dazu, da er eine solche Waffe zur Hand hatte.“
„Er wurde wohl überrascht, und der erste Stich war bereits tödlich“, vermutete ich. „Aber dann muss er den Täter gekannt haben.“
„Précisément!“, rief Bwaroo und strahlte mich an. „Ihre grauen Zellen, Heystings! Es freut mich, dass Sie gut arbeiten. Sie haben ganz recht, mon ami, Monsieur Kreidell muss seinen Mörder ohne Argwohn eingelassen haben und wurde dann durch den Angriff völlig überrascht. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass er bei dem Besuch eines Fremden so leichtsinnig gewesen wäre.“
Ich freute mich sehr über Bwaroos Lob, versuchte aber, es mir in Anbetracht der doch recht ernsten Situation nicht anmerken zu lassen. Stattdessen bat ich Bwaroo, mir zu helfen, die Leiche umzudrehen. Ich wollte sehen, ob es auf dem Rücken noch mehr Verletzungen gab. Dabei entdeckte ich einen Zettel, der unter dem Kopf des Toten lag. Ich hob ihn auf und ließ den Leichnam, der hinten völlig unversehrt war, wieder in seine ursprüngliche Lage gleiten. Neugierig las ich, was auf dem Zettel stand.
"Qu'est-ce que c'est?", wollte Bwaroo wissen. „Was steht auf dem Blatt?“
Statt einer Antwort reichte ich ihm den Zettel.
„Für Margot“, las Bwaroo laut vor.
„Was soll denn das bedeuten? Wer ist Margot?“ Ratlos sah ich ihn an.
„Je me souviens. Ich erinnere mich. Es gab da vor einigen Jahren einen Zwischenfall.“ Bwaroo blickte nachdenklich auf den toten Kreidell. „Eine üble Geschichte mit der Tochter von Richard Hilbelstein, dem Dirigenten. Das Mädchen und Moris Kreidell hatten une affair du coeur, eine Liebschaft. Doch wenn ich mich recht erinnere, waren die Eltern des jungen Mannes dagegen. Unter uns Elfen gibt es viele, die gegen Mischehen sind, wie ich leider sagen muss. Sie begründen das hauptsächlich damit, dass Elfen langsamer altern als Menschen und langlebiger sind. Natürlich nur eine Ausrede.“
„Solche Ansichten gibt es bei uns Menschen leider auch. Und die Eltern des jungen Mannes haben sich wohl durchgesetzt?“
„So könnte man es nennen.“ Bwaroo seufzte.
„Und was geschah dann?“, fragte ich gespannt.
„Das Mädchen hat sich umgebracht.“
„Wie furchtbar.“
„Es hieß, soviel ich weiß, Margot.“
„Schrecklich.“
„Mais non, Heystings. Margot ist ein sehr schöner Vorname.“

Im Kindle-Shop: Erkül Bwaroo und der Mord im Onyx-Express (Erkül Bwaroo ermittelt 4)

Mehr über und von Ruth M. Fuchs auf ihrer Website.

Labels: , , ,

17. November 2015

"Sieben Seelen" von Alex Turow

Möchte man Ethan Savage kennen? Möglicherweise. Ihn einen Freund nennen? Das schon weniger. Ihn zum Feind haben? Auf keinen Fall!

Ethan hat seit seiner Kindheit den Tod einiger Menschen auf dem Gewissen. Nein, das ist nicht ganz richtig, denn ein Gewissen besitzt er nicht. Nun hat er es auf seine Frau Megan abgesehen, doch er will sie nicht umbringen. Er kann sie nicht umbringen, weil er dann alles verlieren würde. Also hängt er ihr einen Mord an und zwingt sie in die Flucht vor der Polizei, die bald ihr Ende finden dürfte, so perfekt hat er alles geplant. Aber Ethan ahnt nicht, dass sechs der Menschen, für deren Tod er verantwortlich ist, ihn auf Schritt und Tritt begleiten.

Leider können sie nichts ausrichten, nichts bewegen und nichts verhindern! Als die siebte Seele zu ihnen stößt, ändert sich das. Und jetzt könnte es gefährlich werden für ihn, denn seine Geschäftspartner sind Menschen, gegen die selbst Ethan so sanftmütig wirkt wie der Dalai Lama. Der perfide Plan, seine Frau aus seinem Leben zu entfernen, droht zu scheitern und Ethan weiß nicht, dass sowohl die DEA als auch das FBI seinen Geschäften auf der Spur sind und einige davon sind unbeschreiblich furchtbar ...

Gleich lesen: Sieben Seelen

Leseprobe:
An einem Sommertag vor etwa dreißig Jahren entschlossen sich zwei Jungs, den alten Steinbruch in der Nähe von New Salisbury zum Spielen aufzusuchen. Genau genommen wollten Ethan und Mark nicht dort spielen, sondern nach Fossilien suchen. Eigentlich wussten beide, dass dies in Maine keine aussichtsreiche Angelegenheit war, denn jener Teil Neuenglands hat aus Sicht eines Paläontologen so gut wie nichts zu bieten. Auch mit dem Abbau von Gestein hatte man hier schon vor Jahren aufgehört, weil es sich kaum mehr lohnte. Seitdem nutzten viele diesen Ort als illegale Müllkippe und entsorgten dort Dinge wie Kühlschränke und Elektroherde. Alles in allem bot der Steinbruch eine wunderbare Kulisse für manches Abenteuer, wenn man ein zehnjähriger Junge war. Einer von beiden hatte durchaus noch andere Gründe für diesen Ausflug.
Ethan und Mark, Freunde seit der Einschulung, gingen noch immer in dieselbe Klasse. Auch ihre Eltern kamen gut miteinander aus und waren mehr als flüchtige Bekannte. Dennoch lag nun ein dunkler Schatten auf der Beziehung zwischen den Jungs und sie hätten den Schatten gerne wieder durch Sonnenschein ersetzt. Sonne gab es genug an jenem Tag und es hätte ein wunderbarer werden können, unbeschwert und voller spannender Dinge, die man erleben kann, wenn man ein Kind ist und Sommerferien hat. Diese Ferien hatten gerade erst begonnen, der Rest lag vor ihnen wie ein festliches Mahl, von dem man erst ein wenig genascht hatte. Und doch war Mark nicht so glücklich, wie er es hätte sein sollen, denn die Strategie beider Kinder zur Lösung ihres Problems war völlig unterschiedlich. Mark wollte, dass alles so würde wie früher. Dafür hätte Ethan jedoch etwas tun müssen, zu dem er nicht bereit war. Stattdessen überlegte dieser, wie er seinen Freund zum Schweigen bringen könnte. Vielleicht für immer. Aber davon ahnte Mark nichts. Ethan war ein guter Schauspieler.
Es war gegen zehn Uhr morgens, als sie am Fuße der fünfundzwanzig Meter hohen Steilwand des Steinbruchs ankamen. Marks Mom hatte ihnen ein paar Sandwiches und Eistee in einer Thermoskanne mitgegeben. Sie hatten kleine Hämmer und einen Rucksack dabei, in dem all das Platz fand und noch genug Raum für ihre fossilen Funde bieten würde. Viele Stunden Sonnenschein lagen vor ihnen. Es war ein sehr warmer Sommer und gegen Mittag konnte es im Steinbruch sehr heiß werden, vielleicht 35 Grad Celsius. Das lag schon in der Luft, die von der Sonne geröstet, nach Ozon roch.
Während des etwa einstündigen Marsches in Turnschuhen und kurzen Hosen hatten sie fast nur geschwiegen. Als sie ankamen, ließ Ethan den Rucksack fallen und setzte sich auf einen Felsen. Er holte den Eistee hervor und reichte Mark die Thermoskanne.
»Danke, Mann«, sagte Mark und nahm einen Schluck. »Das wird echt warm heute.«
Ethan nickte. »Genau. Deswegen sollten wir sehen, dass wir raufkommen, solange es noch geht.«
Mark runzelte die Stirn.
»Worauf?«
Ethan deutete auf den Steilhang.
»Da rauf.«
Mark schüttelte den Kopf und lachte.
»Und wie?«, fragte er skeptisch.
»Ich kenne einen Weg. Der führt an der östlichen Seite durch den Wald. Bis auf die halbe Höhe und da ist dann ein Grat. Da kann man rüber auf die andere Seite, denn es gibt einen Pfad, der bis ganz nach oben geht.«
Mark kniff die Augen zusammen.
»Ich seh` keinen Grat.«
»Doch!«, meinte Ethan und stand auf. »Er ist nicht sehr breit. Von unten kannst du es nicht so gut sehen. Aber ich kenn` den Weg, glaub` mir.«
Mark sah ihn an und seufzte.
Er war nicht froh darüber, dass von dem Vertrauen zu seinem Freund in letzter Zeit wenig übrig geblieben war. Mark hatte schon in Betracht gezogen, Ethan nicht mehr zu treffen, wenn er seine Schuld nicht zugäbe. Aber seine Eltern würden dann Fragen stellen. Musste er sie ehrlich beantworten, hätte er keine Wahl, als Ethan zu verraten. Und Mark war ein Junge mit Idealen. Vertrauensbruch war nicht akzeptabel, genauso wenig wie das Lügen und natürlich das, was Ethan getan hatte.
Seit einigen Tagen wusste Mark, dass Ethan ein Dieb war.
Und ein geschickter noch dazu.
»Echt, Mann, das ist mir zu gefährlich. Und außerdem: Was sollen wir da oben?«
»Sei kein Frosch! Das ist geil! Außerdem finden wir da bestimmt etwas. Da kommt ja niemand so einfach hin!«
Mark war klar, dass Ethan auf diese Weise weitermachen würde, bis er ihn mürbegemacht hatte. So war das zwischen ihnen immer gelaufen. Im Grunde genommen gab ausschließlich Ethan den Ton an und das nervte manchmal. Doch es hatte auch Vorteile, mit ihm befreundet zu sein, vor allem, wenn man ein zierlicher Junge wie Mark war. Denn an Ethans Seite brauchte man sich keine Sorgen zu machen, in der dunkelsten Ecke des Schulhofes Hundescheiße essen zu müssen. Jeder wusste, dass die beiden Freunde waren und niemand traute sich deshalb an Mark heran. Das lag nicht daran, dass Ethan ein so großer kräftiger Junge war. Nein, aber Ethan konnte eine Wut freisetzen, die jedem Angst machte. Dann war etwas in seinen Augen, was einem sagte, dass er zu allem fähig war. Einmal hatte ein Junge versucht, Mark Schwierigkeiten zu machen, während Ethan ein paar Tage in der Schule fehlte. Aber jener Junge musste anschließend bitter dafür bezahlen.
Ethan stupste Mark in die Seite.
»Los, komm jetzt!«, sagte er.
Ethan lief in Richtung Wald und rief: »Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit!«
Mark resignierte und folgte lustlos stöhnend seinem Freund.

Im Kindle-Shop: Sieben Seelen

Mehr über und von Alex Turow auf seiner Website.

Labels: , ,

10. November 2015

"Nächsten Herbst in Paris" von Lena Paul

Sieben Jahre hatte Carolin gekämpft, um das Herz von Mark zu erobern. Nun ist sie endlich mit ihrem Traummann zusammen. Doch nach einer Zeit des Glücks merkt sie, dass ihr bei ihm etwas fehlt und beide doch sehr verschieden sind. Ist es nur der Altersunterschied? Oder sind es auch die unterschiedlichen Lebensentwürfe, die beide immer mehr voneinander entfernen? Oder hat es etwas mit Claude zu tun, dem Künstler aus dem malerischen Montmartre-Viertel, dem Carolin auf einer Geschäftsreise nach Paris im wahrsten Sinne des Wortes vor die Füße fällt? Ist der französische Charme des charismatischen Malers und Fotografen Schuld daran, dass sie von einem Liebesmärchen an der Seine zu träumen beginnt? Mit Claude ist einfach alles wie Magie.

Doch diese Magie stellt Carolin vor schwerwiegende Fragen: Wie viel Prinzessin steckt in einer Frau? Wie weit geht sie für die Liebe? Und kann aus einer Liebe wieder Freundschaft werden?

„Nächsten Herbst in Paris“ ist die Fortsetzung des Romans „Herzensfreunde“, der im März 2014 veröffentlicht wurde.

Gleich lesen: Nächsten Herbst in Paris

Leseprobe:
„Wow!“ Carolin staunte nicht schlecht, als sie sich in Claudes Atelier umsah.
Nachdem sie ihre Baguettes verzehrt und jeder ein Glas von dem Rotwein getrunken hatten, sahen sie sich wortlos den Sonnenuntergang an, bis es dunkel geworden war und Paris nur noch ein einziges Meer aus Lichtern zu sein schien. Dann gingen sie hinunter, durch das Treppenhaus, durch die kleine Straße, auf der sie gekommen waren und zu Claudes Moped.
Mittlerweile hatte Carolin herausgefunden, dass ein Cousin Claudes in dem Haus wohnte und sie sich öfter auf jenem Dach trafen, um dort gemütlich beisammen zu sein. Und sicher, da gab es für Carolin keine Zweifel, hatten die Herren mit dem Ausblick auch so manche Frau beeindruckt.
Von ihrer Neugier getrieben, ging sie aufmerksam mit großen Augen durch das Atelier und blieb bewundernd an einer riesigen Wand mit Schwarz-Weiß-Fotografien stehen. Claude hatte das Leben, so wie es war, in Bildern eingefangen, ungekünstelt und ehrlich:
Eine alte Frau in Lumpen, die im Mülleimer nach etwas Essbarem suchte. Einen Bettler, der mit seinem Becher Passanten auf den Champs Èlysèes ansprach. Kinder, die auf der Straße spielten und mit Kreide Bilder auf den Boden malten. Ein Paar, das sich auf den Stufen vor dem Sacre Coeur stritt. Einen Hund, mager und gehetzt, mit traurigen Augen, der nach Futter zu suchen schien.
„Nur eine kleine Auswahl“, flüsterte Claude, der sich hinter sie gestellt hatte und gespannt ihren Blicken über die Fotografien folgte.
„Sie sind so real. Traurig irgendwie.“
„Nicht alle!“, berichtigte Claude sie und zeigte auf das Bild eines Brautpaares, das in einem Park glücklich bunte Luftballons steigen ließ.
„Stimmt, das ist schön. Romantisch.“
„Die anderen sind nicht schön?“, neckte Claude sie.
„Doch, aber anders.“
„Nun, Cherie, das Leben ist nicht immer schön und romantisch. Es kann kalt, grausam, einsam und voll Schmerzen sein...“, philosophierte er und strich sich nachdenklich eine seiner unbändigen Locken aus dem Gesicht.
Hatte er sie eben Cherie genannt? Carolin stockte der Atem. Verwundert sah sie ihn an, doch er ließ sich nicht anmerken, ob er das Wort mit Absicht oder gedankenlos gebraucht hatte.
Als nächstes inspizierte Carolin die Gemälde, die Claude auf Staffeleien überall in dem großen Raum aufgestellt hatte. Einige der Werke waren offenkundig fertig, andere noch nicht beendet worden.
„Wann machst du das alles?“ Claudes Tage, so kam es Carolin vor, mussten weitaus mehr als vierundzwanzig Stunden haben.
„Oft male ich nachts, wenn ich nicht schlafen kann. Manchmal früh am Morgen, bevor ich auf den Platz gehe, oder bei schlechtem Wetter, wenn es sich nicht lohnt, dort die Staffelei aufzubauen“, war seine leicht nachvollziehbare Antwort. „ Meine Wohnung liegt nur zwei Straßen weiter, ich bin in fünf Minuten hier unten“, ließ er Carolin weiter wissen.
Seine Wohnung also. Sie ahnte, was nun kommen würde. Schon den ganzen Abend über hatte sie dieses merkwürdige Grummeln in ihrem Bauch gespürt, das jedoch nicht daher rührte, dass sie Claude misstraute oder nicht gern mit ihm zusammen war. Ganz im Gegenteil. Es war eher einer freudigen Erwartung zuzuschreiben. Sie war in seiner Nähe leicht wie eine Feder. Fühlte sich wohl und begehrenswert, und etwas an der Art, wie er mit ihr umging, machte sie nahezu wahnsinnig.
So sehr, dass sie Mark, der sie auf einer ganz normalen Geschäftsreise wähnte, fast vollkommen vergessen hatte. Nur ab und an flammte ein Gedanke an ihn auf. Doch wenn Claude sie dann mit seinen warmen, braunen Augen ansah und etwas in diesem verführerischen Akzent sagte, dabei lachte und sie wie zufällig berührte, war sie sogleich wieder in einer völlig anderen Welt. Er verzauberte sie, wie sonst nur Clowns im Zirkus es mit Kindern taten, die ebenso entzückt von deren Kunststücken waren, wie Carolin es von Claudes Werben um sie war. Sicher hatte Mark sich auch die größte Mühe gegeben, ihr zu zeigen, dass er sie liebte und begehrte. Doch die Art, mit der Claude sie um den Finger wickelte, war unvergleichlich.

Im Kindle-Shop: Nächsten Herbst in Paris

Labels: , , ,

9. November 2015

"Sonnenwarm und Regensanft - Sonnensturm" von Agnes M. Holdborg

Es sind nun schon einige Monate vergangen, seit Viktor, der Sohn des mächtigen Elfenkönigs Vitus, Annas Herz im Sturm erobert hat. Doch nicht nur Annas und Viktors Liebe erfährt Höhen und Tiefen, auch Vitus gerät in den Sturm der Leidenschaft, als er der aufregenden Heilerin Loana begegnet. Doch erneut droht Gefahr, sowohl in der Menschenwelt als auch im westlichen Elfenreich.

Band 2 der modernen Fantasygeschichte handelt von Glück, Zweifel, Liebe und Tod. Sie birgt Überraschungen, von denen manche das Schicksal herausfordern.

Gleich lesen: Sonnenwarm und Regensanft - Band 2: Sonnensturm





Leseprobe:
Konzentration ist die Einengung der Gedankengänge auf eine bestimmte Sache. Das war anscheinend das Problem: Die Einengung und die bestimmte Sache. Es wollte ihr nicht gelingen, diesem simplen Grundsatz nachzukommen.
Anna Nell saß in ihrem Zimmer und versuchte sich an dem Biologiereferat, das sie am nächsten Montag im Unterricht halten sollte. Doch es fiel ihr sehr schwer, sich darauf zu konzentrieren, denn immer wieder schweiften ihre Gedanken ab, drehten sich um ihren Freund Viktor und um die Geschehnisse der letzten Wochen.
Gedankenverloren schaute sie sich in dem neugestalteten Raum um und tippte mit dem Stift auf die Schreibtischplatte. Das Zimmer hatte ihr Vater, Johannes, erst vor ein paar Wochen ganz nach ihren Wünschen renoviert. Auch den neuen Schreibtisch hatte er selbst gebaut. Für ihn als Schreinermeister war das wahrscheinlich nichts Besonderes, aber Anna spürte ganz genau, wie viel Liebe ihr Vater in all die kleinen Details gesteckt hatte, genauso wie in das gesamte Zimmer, das sie sich mit ihrer zwei Jahre älteren Schwester Lena teilte.
Zurzeit konnte Anna es samt Schreibtisch und altersschwachem Computer für sich allein beanspruchen, um in Ruhe ihre Schulaufgaben zu machen, denn Lena befand sich bei der Arbeit. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Friseurin, ihrem Wunschberuf. Nichts für mich, dachte Anna, aber für Lena genau das Richtige.
Der Gedanke an die große Schwester entlockte ihr ein kleines Schmunzeln, weil die sich mit ihren neunzehn Jahren nun endlich von den alten „Tokio-Hotel-Postern“ aus der „Bravo“ verabschiedet hatte. Die Groupie-Zeit hatte bei Lena halt sehr lange angedauert. Jetzt aber strahlten die Wände in frisch gestrichenem Weiß, das nur hier und da von ein paar sonnengelben Akzenten unterbrochen wurde.
Über Annas Bett hing ein großes Gemälde, welches Viktors Zwillingsschwester ihr zum siebzehnten Geburtstag geschenkt hatte. Jeder, der das Zimmer betrat, wurde augenblicklich von dem selbstgemalten Bild magisch in den Bann gezogen. Von seinem unwiderstehlichen Charme, den fantastischen Farben und dem mystischen Motiv mit den zwei Sonnen, die wie selbstverständlich in vereinter Umarmung hinab auf einen plätschernden Bach in einer traumhaft hellen Lichtung schienen. Außer Anna und ihrem Bruder wusste in der Familie niemand, dass diese Lichtung, bis auf die zweite Sonne, keineswegs einer Fantasie entsprang.
Bei der Erinnerung an ihren Geburtstag spielte Anna versonnen mit ihrer Kette, an der das weißgoldene Medaillon mit den hellblauen Saphiren am Rand und den im Innern eingravierten zwei Sonnen hing. Viktor hatte es ihr geschenkt, eben zu jenem siebzehnten Geburtstag, dem wunderbaren Tag, an dem sie mit ihm zum ersten Mal...
Sofort flatterte und zog es im Bauch. Zu ihrem Leidwesen erging es Anna häufig so, was sie regelmäßig große Probleme bereitete, sich auf die Hausarbeiten zu konzentrieren. Deshalb atmete sie wieder einmal kräftig durch.
Doch anstatt endlich weiter an dem Skript zu arbeiten, glitt ihr Blick zum Fenster mit den duftig zarten weißen Organzagardinen und den blickdichten cremefarbenen Vorhängen an der Seite. Sie hingen dort erst seit dem gestrigen Abend und ließen den Raum sehr viel größer und heller erscheinen als vorher. Lena hatte zuerst ein bisschen gemault, weil er abends nicht mehr so gut abzudunkeln wäre wie mit den alten dunkelbraunen Chenillevorhängen, fand aber das Gesamtbild überzeugend. Typisch für ihre liebenswürdige und unkomplizierte Schwester, meinte Anna.
Schließlich schnitt sie wieder einmal den Faden zu ihren Tagträumereien ab und beugte sich vom Schreibtischstuhl weit in Richtung ihrer am Bett stehenden Schultasche hinunter, um sich das Bio-Buch zu angeln, ohne dabei aufstehen zu müssen. Dabei purzelte sie fast von dem uralten Stuhl mit Mickey-Mouse-Design, so kippelte der mittlerweile.
Wirklich höchste Zeit für den coolen weißen „Ikea-Stuhl“, den sie sich anschaffen wollte, überlegte sie. Aber ihr Erspartes reichte noch nicht ganz dafür. So lange durfte sich „Mickey-Mouse“ noch einer Gnadenfrist erfreuen, bevor der Sperrmüll sein Ende würde.
Anna störte es nicht sonderlich, dass ihre Eltern mehr mit dem Geld rechnen mussten als andere Leute. Deshalb machte es ihr auch nichts aus, selbst für den neuen Stuhl aufkommen zu müssen.
Nur ihre eigene vermeintliche Mittelmäßigkeit warf sie manchmal aus der Bahn. Viktor behauptete zwar beharrlich, dass gerade sie etwas ganz Besonderes sei, und schwor sogar Stein und Bein darauf. Doch nagten immer wieder Zweifel an ihr und verunsicherten sie mit Fragen wie zum Beispiel, warum jemand wie er Gefallen an jemanden wie ihr finden konnte. In ihren Augen war er nicht nur viel attraktiver als sie selbst, sondern auch tatsächlich etwas ganz Besonderes, weil er nur zur Hälfte ein Mensch war.
Sie lächelte vergnügt bei der Vorstellung, ihre Eltern und Lena würden erfahren, dass Viktors Vater, anstatt über ein riesiges Firmenimperium in Amerika zu herrschen, in Wirklichkeit ein waschechter König war. König des westlichen Elfenreiches, welches direkt neben der Welt der Menschen existierte. Außer ihr kannte in der Familie nur noch ihr zwanzigjähriger Bruder Jens das Geheimnis.
Anna schüttelte heftig den Kopf, weil sie in Gedanken schon wieder zu Viktor abdriftete, und rief sich daher leicht verärgert zur Räson. Am Ende würde dieses unsägliche Referat doch nicht fertig, bevor Viktor sie fürs restliche Wochenende abholte.
Sie legte den Stift zur Seite, rückte die Brille ein wenig zurecht und rutschte etwas vor, um auf dem Bildschirm ihren bislang verfassten Text durchzugehen. Wieder wackelte und kippelte es verdächtig unter ihrem Po, was allerdings statt Ärgernis nur ihre Vorfreude auf den neuen Stuhl steigerte.
Sie würde mit Lena reden müssen, dass künftig auf keinen Fall eins ihrer Haarfärbemodelle darauf Platz nehmen dürfte. Lenas Farbexperimente hatten so manchen hässlichen Fleck auf „Mickey Mouse“ hinterlassen. So etwas wollte Anna für die Zukunft unbedingt vermeiden. Mit dem schicken weißen und zudem fleckenlosen Stuhl würde das Zimmer in ihren Augen perfekt aussehen, natürlich nicht so perfekt wie Viktors.
Sie seufzte und nahm resigniert die Finger von der Tastatur, weil sie schon wieder an ihn dachte und ihr das Schreiben dadurch einfach schwerfiel. Wenn sie sich nicht allmählich beeilte, würde das nichts mehr mit dem Referat. Außerdem befürchtete sie, Viktor könnte sowieso bald bemerken, was in ihrem Kopf vor sich ging. Obwohl er nur ein Halbelfe war, hatte er in der letzten Zeit dennoch seine empathischen und telepathischen Fähigkeiten derart verfeinert, dass sie kaum noch ihre Gedanken und Gefühle vor ihm verbergen konnte.
Zwar war auch sie inzwischen in der Lage, seine Gedanken zu erspüren, aber so wie ihm würde es ihr wohl niemals gelingen. Es grenzte ihres Erachtens ohnehin an ein Wunder, dass sie und sogar Jens über solch elfische Fähigkeiten verfügten.
Bislang hatte sie sich über den Grund hierfür noch keinerlei Gedanken gemacht und auch jetzt fehlte ihr dazu die Zeit. Also straffte sie endgültig die Schultern, um sich dem Referat zu widmen und noch dazu den Geist vor ihrem heißgeliebten Freund zu verschließen.
Zu spät! Das war Anna bereits klar, noch bevor sie Viktors Samtstimme im Kopf vernahm.

Im Kindle-Shop: Sonnenwarm und Regensanft - Band 2: Sonnensturm

Mehr über und von Agnes M. Holdborg auf ihrer Website.

Labels: ,

6. November 2015

"Das Geheimnis der Uhr" von Annette Hennig

Alexa, Agnes' Urenkelin, trifft in ihrem Urlaub in Frankreich nicht nur auf den gutaussehenden Achille, der ihr Herz höher schlagen lässt. Sie entdeckt auch eine kostbare alte Taschenuhr, die ihre Familie zusammen mit dem Mann, dem sie einst gehörte, in der normannischen Erde begraben glaubt. Eine Zeitreise durch die vergangenen 70 Jahre beginnt, an dessen Ende die Familien durch ein lange gehütetes Geheimnis aufeinander treffen. Schmerzvolle Erinnerungen verbinden diese unterschiedlichen Menschen zweier Nationen, die nichts voneinander ahnten.

Neugierig und tapfer nehmen sie ihr Schicksal an. Werden Sie es schaffen, Gemeinsam den Weg zu gehen, den eine frühere Generation ihnen vorbestimmt hat?

Gleich lesen: Das Geheimnis der Uhr


Leseprobe:
Im gleißenden Licht der Sonne rekelte Alexa sich auf der Sonnenliege am Pool des noblen Fünf-Sterne-Hotels.
Laura-Marie, ihre fast sechs Jahre alte Tochter, konnte nicht genug davon bekommen im Wasser herumzutollen. Alexa hatte sie immer im Auge, auch wenn sie sich keine Sorgen um ihre Laurie, wie alle sie liebevoll nannten, machen musste. Sie hatte sich frühzeitig darum gekümmert, dass ihre Tochter schwimmen gelernt hatte und Laurie war offenbar mit Schwimmhäuten und Kiemen, als kleine Nixe, zur Welt gekommen. Sie kannte keine Scheu vor dem Wasser.
Viel lieber hätte Alexa den Tag mit ihrer Tochter im warmen Sand am hoteleigenen Strand verbracht. Dort herrschte aber seit drei Tagen eine Quallenplage und die Gäste verzichteten auf das Badevergnügen im Meer.
Der Pool war dicht umlagert.
Der Geräuschpegel war dementsprechend hoch und Alexa gelang es nicht, sich auf ihr mitgebrachtes Buch zu konzentrieren. Notgedrungen döste sie in der Sonne vor sich hin.
Kinderlachen, Stimmengewirr und der neueste französische Sommerhit drangen an ihre Sinne. Immer wieder suchten ihre Augen die Tochter, die in ihrem pinkfarbenen Badeanzug, mit dem langen weizenblonden gelocktem Haar eigentlich nicht in der Traube der Kinder, die sich an der Wasserrutsche drängelten, untergehen konnte.
Immer, wenn ihre Blicke sich zufällig trafen, winkte Laurie der Mutter ausgelassen zu.
Wie lange hatte Alexa darauf gewartet, solch einen herrlich unbeschwerten Urlaub mit Laurie verleben zu können.
In den letzten drei Jahren war so viel auf sie eingestürmt, waren so viele Dinge geschehen, Gute wie Schlechte, dass an einen unbekümmerten Urlaub nicht zu denken gewesen war.
Zuvor, als ihre Welt noch nicht Kopf gestanden hatte, ihr Leben noch im ruhigen Fahrwasser dahinplätscherte, war Laurie noch zu klein für solch ein feines Hotel und auch noch nicht stubenrein genug gewesen. Auch hatte Alexa damals noch nicht die finanziellen Mittel gehabt, um sich einen so großartigen Urlaub leisten zu können.
Die Julisonne brannte unerbittlich vom wolkenlosen französischen Himmel. Alexa schaute in das Azurblau über ihr und dachte an ihren Vater. Drei lange Jahre war es nun her, dass sie sich keinen Rat, keine Hilfe mehr von ihm hatte holen können. Es war noch immer schmerzlich, auch wenn das Leben weiterging, im gleichförmigen Strom Tag um Tag dahinfloss. Sie vermisste ihn, trotz Allem was geschehen war.
Ein Blick zu der älteren Dame auf der Sonnenliege nebenan verriet, dass es an der Zeit war, der hochstehenden Sonne zu entsagen und ihre Haut nicht länger dieser Strapaze auszusetzen. Sie rief und winkte nach Laurie und bedeutete ihr, dass es Zeit wurde, den Pool zu verlassen.
Laurie zog einen Schmollmund, kam träge und mit sichtlichem Widerwillen der Aufforderung ihrer Mutter nach.
„Es ist zu heiß, die Sonne brennt vom Himmel, Laurie. Wenn wir länger hier am Pool bleiben bekommen wir einen bösen Sonnenbrand. Unsere Haut muss sich erst an die südliche Sonne gewöhnen“, versuchte Alexa ihrer Tochter zu erklären.
Laurie schmollte weiter. Sie wollte nicht einsehen, warum sie immer von ihrer Mutter gerufen wurde, wenn es gerade am Schönsten war.
„Lass uns ein Eis essen gehen. Auch ein erfrischender Cocktail würde uns sicher guttun.“ Listig machte Alexa ihrer Tochter das Ende der Wassertoberei schmackhaft. Und sie kannte Laurie gut. Die Augen der kleinen Mademoiselle, wie Alexa sie in den vergangenen Tagen scherzhaft genannt hatte, erhellten sich. Mit der leckeren, kalten Masse ließ sie sich immer locken.
„Ich möchte Cocktail und Eis“, sagte Laurie nicht minder listig. Sie wusste genau, um sie hier weg zu lotsen, würde ihre Mutter nachgeben und sie dürfte sich beides schmecken lassen.
Alexa lächelte. „Gut, ausnahmsweise“, gestattete sie großzügig und ließ sich nicht anmerken, dass sie ihre Laurie längst durchschaut hatte. „Genau in der Reihenfolge. Andersherum gibt es Bauchschmerzen“, setzte Alexa noch hinzu.
Laurie verkniff es sich, ihre hübschen Augen zu verdrehen. Immer dieses Märchen von den Bauchschmerzen und den Läusen im Bauch, dachte sie. Aber wenn Mama daran glaubte. Es sollte sie nicht stören. Sie bekam ja ihren Willen.
Die Cocktails ließen Lauries kleines Kinderherz höher schlagen. Sie waren mit ihren Trinkhalmen, den süßen Früchten am Rand des Glases und dem Zuckerring an derselben Stelle, hübsch anzusehen. Laurie fühlte sich wie eine Dame, und dass das Getränk keinen Alkohol enthielt, wie bei den Erwachsenen, das störte sie nicht im Geringsten.
Willig schlüpfte sie in ihr weißes Baumwollkleid und die Zehensandaletten, die ihr ganzer Stolz waren, weil sie schon einen kleinen Absatz besaßen.
„Du musst mir aber mein Haar mit der schönen neuen Spange zusammennehmen, die wir bei unserem letzten Ausflug gekauft haben“, wies sie ihre Mutter an und ihr Gesicht strahlte bei dem Gedanken an den neuen Haarschmuck, der sie, wie sie meinte, schon richtig erwachsen aussehen ließ.
„Klar doch, meine kleine Prinzessin. Und nun los, auf zur Bar!“, erwiderte Alexa fröhlich, nahm das Strandlaken von der Sonnenliege und schwang sich die große Strandtasche über die Schulter. Das Tuch musste nicht liegenbleiben, sie würden heute nicht noch einmal hierher zurückkommen. Alexa wollte bei Cocktail und Eis ihrer kleinen Tochter einen Ausflug zum Yachthafen Port Vaubahn schmackhaft machen. Sie waren dort vor wenigen Tagen schon einmal gewesen, hatten Lauries Haarschmuck und die schicke Strandtasche erstanden und sie hatten eine exquisite Bouillabaisse gegessen. Später könnten sie weiter zum Fort Carre schlendern, von wo aus sich ein guter Blick auf den Hafen und die dahinterliegende Altstadt bot. Mit der Altstadt, ihren kleinen Gassen und den liebevoll anmutenden Läden, würde sie ihre Tochter sicher am ehesten locken können.
„Was machen wir nach dem Eis?“, fragte Laurie in diesem Moment prompt.
„Ich dachte, wir fahren noch einmal zum Yachthafen, laufen dann zur Festung hinauf, dösen ein bisschen im Schatten auf einer Bank und genießen den herrlichen Ausblick über Meer und Hafen.“
Alexa sah, wie ihre Tochter nun doch die Augen gen Himmel wandern ließ.
„Das wäre dann gleich unsere Mittagsruhe und danach könnten wir der Altstadt einen kleinen Besuch abstatten und durch die engen Gassen bummeln“, fügte Alexa schelmisch hinzu.
Lauries Gesicht erhellte sich, wie erwartet, sofort.
Sie war froh, dass ihre Mutter nicht auf ein Mittagsschläfchen bestand, wie sie es immer getan hatte, als sie, Laurie, noch ein Baby gewesen war. An der Strandbar war heute wieder der junge Mann, Jean-Claude, mit dem sie sich schon mehrmals unterhalten hatten. Er sprach ein gebrochenes Deutsch und wenn er deutlich und langsam in seiner Muttersprache mit Alexa kommunizierte, war sie sogar in der Lage, ihm halbwegs folgen und antworten zu können. Dabei sah er sie immer spitzbübisch an und hatte ihr gestanden, dass er ihren Akzent entzückend fand. Sie war rot wie ein Krebs aus dem Mittelmeer angelaufen und Laurie hatte die Situation gerettet, indem sie lautstark kundtat, dass sie immer noch auf ihr Eis warten würde.

Im Kindle-Shop: Das Geheimnis der Uhr

Mehr über und von Annette Hennig auf ihrer Website.

Labels: , , ,

5. November 2015

"Neetokar: Der Weg in eine andere Welt. Die Reise" von Reinhard Kratzl

Sarah, die in ärmlichen Verhältnissen aufwächst und ein tristes Leben führt, erfährt an ihrem sechzehnten Geburtstag ein Geheimnis, das ihre Welt auf den Kopf stellt. Durch ein Geschenk eines unheimlichen Boten kommt sie in den Besitz einer magischen Halskette, die ihr die Wahrheit über sich und die Kräfte die in ihr schlummern, offenbart. Ihre Mutter verrät ihr an diesem Geburtstag ein lang gehütetes Geheimnis. Sarah ist nicht ihre leibliche Tochter, sondern stammt aus einer fremden Welt namens Neetokar ...

Band 1 einer High-Fantasy-Trilogie.

Gleich lesen: Neetokar: Der Weg in eine andere Welt. (Band 1: Die Reise)


Leseprobe:
Vier Jahre vor Sarahs Geburt …
Prinzessin Hope steht an Deck des königlichen Schiffes. Sie klammert sich mit aller Kraft an die Reling. Sie musste sich schon mehrmals übergeben, da das Schiff so stark schaukelte. Einer der furchtbarsten Stürme dieses Jahres wütete auf dem Meer der Ewigkeit und das Schiff der Prinzessin befand sich inmitten dieser Urgewalten.
Immer wieder hört sie die Schreie der Seeleute, die alles in ihrer Macht stehende versuchten das Schiff auf Kurs zu halten. Doch die See kannte keine Gnade. Die Segel wurden vom Wind zerfetzt, der Hauptmast brach. Er krachte an Deck, wo er drei Seeleute erschlug. Der Kapitän wurde von einer gewaltigen Welle erfasst und von Bord gespült.
»Mann über Bord!«, hörte Hope die Schreie eines Matrosen, die aber verstummten, als er von einer weiteren Welle erfasst wurde. Mit letzter Kraft schaffte sie es, ins Innere des Schiffes zu gelangen. Dort sackte sie auf den Schiffsboden und zuckte jedes Mal zusammen, wenn der heftige Wind eine Welle gegen das Schiff peitschte.
Es krachte und ächzte. Sie verlor jegliche Hoffnung, dieses Schiff lebend zu verlassen. Nach einer Weile konnte sie ihre Augen nicht mehr offen halten und schlief vor Erschöpfung ein.
Prinzessin Hope wurde wach, als sie eine laute Stimme vernahm: »Durchsucht das Innere des Schiffes nach Überlebenden!«, ertönte die tiefe aber sympathische Stimme.
Sie öffnete ihre Augen und sah zwei Matrosen, die ihr auf die Beine halfen. Sie brachten sie an Deck direkt zu einem Mann, der sich als Prinz Necoron vorstellte. »Habt keine Angst Prinzessin, der Sturm ist vorbei. Ihr seid gerettet!«, sagte der Prinz.
»Aber … aber Ihr seid doch unser Feind«, sagte die Prinzessin stotternd.
»Wie könnte ich der Feind einer so bezaubernden Frau sein?«, erwiderte der Prinz in einer sanften Stimmlage.
Prinzessin Hope war sehr erstaunt über die Worte dieses Mannes und seufzte erleichtert. Sie fragte: »Wo ist die Besatzung meines Schiffes?«
»Es tut mir leid euch das Sagen zu müssen Prinzessin: Ihr seid die einzige Überlebende, die wir gefunden haben.«
Tränen schossen der Prinzessin aus den Augen und liefen über ihre zarten Wangen. »Dieser verfluchte Sturm!«, sagte sie nach einer Weile mit trauriger Stimme.
Prinz Necoron nahm ihren Arm, um sie auf sein Schiff zu geleiten. »Was geschieht jetzt? Wo bringt Ihr mich hin?«, fragte sie.
»Wir steuern die neutrale Insel Onyrandara an. In der Folge informieren wir eure Eltern, über den Aufenthaltsort«, erwiderte der Prinz.
Drei Tage dauerte die Reise ehe sie die Insel sehen konnten. In der Zeit kamen sich beide näher. Sie erkannten, dass Feindschaft zwischen der hellen und der dunklen Seite Neetokar eines Tages zerstören würde. Das wollten sie nicht zulassen. Im Laufe der nächsten Jahre trafen sie sich laufend auf neutralem Gebiet. Sie verliebten sich ineinander und so geschah es, dass ihre Liebe Früchte trug. Die Prinzessin wurde schwanger. Ein Kind wuchs in ihrem Bauch heran. Ein Kind, gezeugt aus tief empfundener Liebe. Ein Kind, das die Kräfte beider Seiten in sich trug.
Als Prinzessin Hope das Kind im Tempel der Zyanten gebar, wurden sie und der Prinz mit einer Tochter beschenkt. Ein liebliches Wesen, mit kurzem blonden Haar und strahlend blauen Augen.
Das Glück der Eltern war unbeschreiblich, dauerte jedoch nicht lange an. Bald wurde auf beiden Seiten bekannt, dass dieses Kind unfassbare Macht in sich trug. Die Kunde verbreitete sich in Windeseile in Neetokar.
Die Angst vor der Macht, die dieses Kind eines Tages haben würde, wurde immer größer. Zum Glück erkannten die Eltern diese Gefahr rechtzeitig.
Gemeinsam mit den Zyanten erschufen sie ein mächtiges Portal in eine andere Welt. Eine Welt, in der ihr Kind gefahrlos aufwachsen konnte. Es war ein wehmütiger Tag für beide Elternteile, da sie ihr Kind in dieser anderen Welt zurücklassen mussten.
Ungeachtet dessen zählte nur eines: Die Sicherheit dieses Kindes. Alles Weitere würde sich entscheiden, wenn das Kind alt genug war …

Im Kindle-Shop: Neetokar: Der Weg in eine andere Welt. (Band 1: Die Reise)

Mehr über und von Reinhard Kratzl auf seiner Website.

Labels: , , ,

4. November 2015

"Teeparty: Eine ungewöhnliche Odyssee" von Irene Li Krauß

Was bewegt einen Banker, seinen gut bezahlten Job hinzuschmeißen, um mit seinem besten Kumpel ein florierendes Drogengeschäft unter dem Deckmäntelchen einer Teehandelsgesellschaft aufzubauen? Und wie reagiert seine Frau auf diesen plötzlichen Wandel, wo sie doch gerade ihr zweites Kind erwartet?

Mittvierziger Eddie O’Meany hat die Nase voll von seinem Posten auf der Bank. Als sein Freund Geoffrey MacGowan ihm vorschlägt, eine Teehandelsgesellschaft zu eröffnen, die nach dem Tupper-Party-Prinzip Tee vertreibt, sagt er spontan zu und kündigt seine Stelle. Seine Frau Sarah, in der dreizehnten Woche mit dem zweiten Kind schwanger, ist zunächst entsetzt. Und das ist nicht die einzige Katastrophe, die sich in Sarahs Leben ereignet: Als sie am Bahnhof steht, um dem angekündigten Besuch ihrer geliebten Eltern entgegenzusehen, steigt ihre Mutter Monique alleine aus dem Zug. Sie ist verheult und völlig aufgelöst – und in der Hand hat sie einen großen Koffer!

Die Teepartys laufen überraschend gut. Um den ohnehin guten Verdienst noch zu steigern, bringt Geoffrey ein mit speziellen Zusätzen versehenes Schokoladengetränk in Umlauf. Doch man muss nicht lange warten, bis die Sache auffliegt. Miss Rutherford, die 84-jährige Nachbarin und Freundin der O’Meanys, erfährt, dass die Polizei Eddie und Geoffrey wegen dieses Schokoladengetränks bereits im Visier hat. Sie warnt die Freunde, die überstürzt mit Kind und Kegel und dem dicken Labrador Tyson das Land verlassen. Inspektor Watts ist ihnen aber schon auf der Spur. Der alternde Polizeichef wittert seine letzte Chance auf einen großen Fall und jagt die Freunde quer durch Europa …

Gleich lesen: Teeparty: Eine ungewöhnliche Odyssee

Leseprobe:
Sarah O’Meany war in der dreizehnten Schwangerschaftswoche, als ihr Mann Eddie ihr überraschend eröffnete, dass er seinen gut bezahlten Job bei der NatWest-Bank hingeschmissen habe, um mit seinem Freund Geoffrey zukünftig Tee zu verkaufen.
Selbstverständlich war sie geschockt. Wer wäre das nicht gewesen, zumal in anderen Umständen, wo man sicherlich anderes erwartet hätte als die Infragestellung gesicherter Verhältnisse. Was die junge Frau aber wirklich überraschte war weniger, dass ihr Mann den Job schmiss, sondern vielmehr der Grund oder besser: der Auslöser, der ihn dazu veranlasst hatte. Denn sollte es um jenen Geoffrey gehen, an den sie spontan dachte, so war ihre Skepsis mehr als gerechtfertigt.
„Ist das der Geoffrey, den ich auch kenne?“, fragte Sarah. Eddie schluckte und lockerte seinen Hemdkragen.
„Nun ja, Liebling, sicher. Mehr oder weniger …“
Ein kurzer Augenblick unbehaglichen Schweigens entstand. Sarah sah ihren Mann an und wartete auf weitere Erklärungen. Doch es folgten keine.
„Was meinst du mit mehr oder weniger?“, fragte sie schließlich. Beunruhigt nahm sie zur Kenntnis, dass sich eine leise Hysterie in ihre Stimme schlich. Sie war seit jeher ein ruhiger, wenn auch sensibler Mensch. Unter dem massiven Einfluss eines Heeres an Schwangerschaftshormonen sah sie sich einem abrupten Wechsel der Stimmungen aber mehr denn je schutzlos ausgeliefert. Sie zwang sich zur Ruhe, atmete tief durch und wartete mit gerunzelter Stirn auf eine Antwort.
„Nun ja, mehr oder weniger, … hm, damit meine ich, du kennst ihn mehr oder weniger …“ Eddies Blick irrte suchend durch die Küche, als könne er im Stapel benutzten Abendbrot-Geschirrs oder im Gewirr der Kühlschranknotizen eine Erklärung finden. Sarah beobachtete ihn rätselnd. Sein Stottern wirkte Verdacht erregend. Er räusperte sich verlegen und fuhr fort:
„Also, du kennst ihn, nicht wahr? Aber du kennst nicht alles an ihm, richtig? Ich meine, du weißt doch gar nicht, wie er mit, äh, sagen wir, mit dreizehn war, richtig?“
„Mit dreizehn?“ Irritiert blinzelte sie. “Wieso sollte ich wissen, wie er mit dreizehn war? Wie war er denn mit dreizehn?“
„Es ist doch nur ein Beispiel, Liebling. Also, wie gesagt, ich traf Geoff, und er hatte da eine wirklich gute Idee …“
Für einen Moment verschlug es Sarah die Sprache. Doch, sie kannte Geoffrey. Er war ein Charmeur, besaß ein gewinnendes Lächeln und die Zuverlässigkeit eines Windhundes. Seine Vita war geprägt, nein, durchzogen, nein, dominiert von sprunghaften Etappen einer undurchschaubaren Karriere. Sarah war es stets schleierhaft geblieben, wovon dieser Mann lebte. Zurzeit arbeitete er ihres Wissens nach halbtags als Friedhofsgärtner, führte sich aber auf wie der große Lebemann – fuhr einen Sportwagen und vergeudete sein Geld beim Glücksspiel oder bei Pferdewetten. Sicher, er war alleinstehend und somit niemandem, nur sich selbst gegenüber verantwortlich. Da hatte er Freiheiten, die einem verheirateten Familienvater wie Eddie fernliegen sollten. Er war ihr nicht vollkommen unsympathisch. Trotzdem es gab Freunde ihres Gatten, die sie ihm gegenüber durchaus bevorzugt hätte, zumal, was etwaige geschäftliche Verbindungen anbelangte. Sie seufzte leise.
„Geoff versteht unter einer guten Idee nicht zwangsläufig das Gleiche, was ich unter einer guten Idee verstehen würde“, gab sie zu bedenken.

Zu Beginn war Sarah O’Meany nicht gerade begeistert gewesen von dem Gedanken, nach Wales zu ziehen, als ihr Mann vor rund einem Jahr von seiner neuen Stelle bei der NatWest berichtet hatte. Auch er war anfangs nicht gerade enthusiastisch, denn die NatWest war nicht sein berufliches Ziel gewesen. Doch ein Headhunter hatte ihn erfolgreich abgeworben. Und ein wenig mehr Einkommen konnte seiner jungen Familie kaum schaden. Alles, was Sarah zunächst gedacht hatte, war: warum Wales – diese gottverlassene Provinz? Sie hatte sich als nächstes Ziel eher London oder Edinburgh vorgestellt. Aber Wales? Und dann nicht einmal in eine der größeren Städte! Nein, ausgerechnet Aberystwyth, dieses kleine Kaff an der Küste.
Nachdem sie umgezogen waren, wurde sie jedoch positiv überrascht. Sie war beeindruckt von der wilden Schönheit der Natur, vom angenehmen Seeklima und von der etwas rauen Herzlichkeit der Waliser. Das kleine Seestädtchen zeigte sich moderner, als sie vermutet hatte. Die vielen Fachbereiche der „Aber“, der altehrwürdigen Universität, vor allem solch renommierte wie Informatik und internationale Politik, lockten zahlreiche Studenten aus dem In- und Ausland an, und die jungen Leute verliehen dem Ort ein internationales Flair.

Im Kindle-Shop: Teeparty: Eine ungewöhnliche Odyssee

Mehr über und von Irene Li Krauß auf ihrer Website.

Labels: , ,

3. November 2015

"Gefangen - in two minds!" von Hailey J. Romance

Tiffany ist das ungeliebte, hässliche Entlein ihrer Familie. Ihr Vater und dessen Lieblingstochter Heather verdienen Millionen mit dem kalifornischen Schönheitswahn, während Tiffany aus Trotz in einer Bar arbeitet und eine Affäre mit dem viel älteren Immobilien-Mogul Edward unterhält. Aber ist sie so viel anders als Vater und Schwester? Ruht sie sich nicht auch auf ihrem Reichtum aus? Und was ist mit echter Zuneigung, Freundschaft, Liebe? In ihrem Leben fehlt ganz eindeutig etwas!

Tiffany beginnt, sich erstmals ernsthaft mit ihren Mitmenschen auseinanderzusetzen, und folgt ihrem Herzen. Wird sie finden, wonach sie sich sehnt?

Erotischer Liebesroman mit gefühlvoller Handlung und Tiefe, aber auch expliziten Sexszenen!

Gleich lesen: Gefangen - in two minds!>

Leseprobe:
„Hallo Miss Camden.“ Die blond gebleichte, aufgespritzte Empfangsdame meines Vaters lächelt mich freundlich an. „Kann ich Ihnen helfen?“
Ist das ein Standardsatz von ihr? Wahrscheinlich! Wenn man hier reinkommt, dann will man doch etwas. Hierher werden sich wohl eher selten Leute verlaufen und nichts wollen.
„Ich möchte nur meine Wochenration Botox abholen“, antworte ich.
Sie sieht mich fragend mit offenem Mund an. „Ähm“, und schon kommt sie ins Stocken.
Ich setze mein schönstes Lächeln auf, doch noch immer schaut sie mich irritiert an.
„Ist mein Vater nun da oder nicht?“, frage ich. Was soll ich auch sonst hier wollen?
„Entschuldigung. Natürlich. Er ist nur gerade in einem wichtigen Gespräch. Ich weiß leider nicht, wie lange es noch dauern wird. Wollen Sie warten oder kann ich ihm etwas ausrichten?“
Hmmmm, gute Frage, ich wollte ihm nur sein Smartphone bringen, das er daheim liegengelassen hat und nun unaufhörlich in meiner Tasche piepst. Ob es eine gute Idee ist, sein heiß geliebtes Telefon an die Empfangsdame zu überreichen? Auf eine erneute Familienkrise wegen eines Handys habe ich keine Lust. Seit unserem Streit wegen Heathers Hochzeit redet er kein Wort mehr mit mir. Dass ich ihm dieses Teil überhaupt hinterher fahre, hat auch nur einen Grund: Ich hisse die weiße Fahne und hoffe zumindest auf einen kurzen Waffenstillstand zwischen uns. „Ich werde wohl warten“, antworte ich.
„Dann nehmen Sie doch kurz im Wartezimmer Platz, Miss Camden.“ Die Blondine deutet auf eine geschlossene Glastür.
Toll, jetzt muss ich mich auch noch zwischen Botox-Emma und Silikon-Lisa quetschen. Was tut man nicht alles für ein wenig Familienfrieden?

Im Kindle-Shop: Gefangen - in two minds!

Mehr über und von Hailey J. Romance auf ihrer Website.

Labels: , ,

2. November 2015

"Geburt eines Helden (Basaltblitz 1)" von Markus Tillmanns

Was würdest du tun, wenn du über Nacht zum Superhelden wirst? Der schüchterne Nick liest leidenschaftlich gerne Superman, Batman, Spiderman, Arrow, Flash, X-Men und Wolverine. Eines Tages - nachdem er versehentlich einen Kometen gegessen hat - verwandelt er sich selbst in einen Superhelden. Nick ist begeistert! Doch schon bald muss er feststellen: Wo ein Superheld ist, da sind die Superschurken nicht weit. Und dann ist da noch dieser merkwürdige Durst nach Blut, der nach jeder Heldentat größer wird …

Gleich lesen: Geburt eines Helden (Basaltblitz 1)






Leseprobe:
Nick hatte eine Scheißangst vor der Dusche.
Er war nur ein schmächtiger, blonder Junge vor dem Tor zur Hölle. Die Hölle, das war die Schwimmhalle. Und darin lauerte die Dusche, die ihn umbringen würde. In der Männer-Umkleide hockte sie und wartete wie ein Schwarm hungriger Piranhas auf seine hilflose Beute. Ihr gieriges Rauschen war bis hier draußen zu hören. In dem Geräusch des herabprasselnden Wassers flüsterte die dämonische Dusche: Du entkommst mir nicht! - Heute mache ich dich fertig! - Davon erholst du dich nie wieder! ...
Nick presste den Rucksack vor den Bauch, als hätte er Bauchschmerzen. Wären es doch nur Bauchschmerzen! Aber das Problem saß viel tiefer. Er hielt den Eastpak fest umschlungen, seine Nägel verkrallten sich in den Unterarmen.
Und das Schlimmste: Er konnte sich nicht mal mehr krankmelden.
Um den Problemen zu entgehen, hatte er das so oft getan, dass sein Klassenlehrer Mama zur Schule bestellt hatte. Von dem Gespräch war sie ziemlich wütend nach Hause gekommen. Du wirst nie wieder blaumachen, hast du mich verstanden? Nie wieder!
Also litt er nun und sah dem unumstößlichen Untergang entgegen.
Seine Hinrichtung hatte in der Pause begonnen. Er blieb im Klassenraum, obwohl das eigentlich verboten war. Aber er versteckte sich gerne hier vor den anderen. Er war so in Sicherheit und er hatte seinen Frieden. Das Geschrei vom Pausenhof drang nur gedämpft herein und er konnte in aller Ruhe Comics lesen. Avengers, Iron Man, oder zur Not auch Justice League - wenn ihn niemand störte, schaffte er genau eine Ausgabe bis zum Klingeln.
Doch heute hatte ihn jemand gestört. Sven Fellenberg kam rein. Er war nicht auf herkömmlichem Weg gezeugt worden. Svens Eltern hatten ihn aus einem Katalog für Unterwäsche-Models ausgeschnitten. Zumindest sah er so aus. Er war einen halben Kopf größer als Nick, braungebrannt und sportlich bis in den letzten Muskel. Nick zuckte zusammen. Sven über den Weg zu laufen, verhieß normalerweise nichts Gutes. Aber jetzt war er ohne seine Leute unterwegs. Er machte keine spöttische Bemerkung und grinste auch nicht. Er guckte Nick nur kurz an und sagte »Hi«.
Nicht Hi, Arschgesicht.
Nur Hi.
Das war so ungewöhnlich, dass Nick nicht wusste, wie er darauf reagieren sollte. Er zögerte viel zu lange, bis er endlich mit »Hi« antwortete. Nun wirkte es doof.
Sven beachtete ihn gar nicht. Er ging zu seiner Tasche und begann, darin herumzuwühlen.
Nick tat so, als würde er seine Iron-Man-Ausgabe weiterlesen. Verstohlen blickte er alle paar Sekunden hinüber. Sven fummelte in seinen Sachen rum. Wäre Sven nicht Sven und Nick nicht Nick, hätte er einfach fragen können, was der andere da machte. Aber Sven war eben Sven. Sobald man Sven fragte, bekam man eine auf die Fresse. Und Nick war Nick und hatte ständig Angst, eine auf die Fresse zu bekommen.
Wenn er jetzt so darüber nachdachte, hätte er viel lieber eins auf die Fresse bekommen. Das Ergebnis wäre nun eine blutige Nase oder ein blaues Auge. Das würde wieder weggehen. Doch er hatte sich leider keine eingefangen und stand stattdessen hier und wartete. Wartete darauf, dass die Dusche ihn vernichtete.
Sven hatte ihn plötzlich angesehen. Nick versenkte den Kopf im Comic. Scheiße, zu spät!
»Willst du auch mal?«, fragte Sven.
Nick starrte ihn an wie ein Rehkitz in dunkler Nacht die Autoscheinwerfer. Wenn Sven ihn überhaupt mal etwas fragte, dann nur Bist du schwul, oder was? Jetzt hielt er eine Tupperdose in der Hand. Und es sah tatsächlich so aus, als ob er ihm den Inhalt anbieten würde.
Nick musste irgendwie reagieren. Schnell, bevor es peinlich wurde. Er schüttelte den Kopf.
Sven zuckte mit den Achseln. Er zog aus einer ganzen Tüte voller Plastiklöffel einen raus. Mit dem spachtelte er eine punktierte Masse aus der Dose in den Mund. Er kaute nicht. Er schloss die Augen und nuckelte sie langsam. Als sie völlig weg war, öffnete er die Augen wieder. »Geil!«
Nick versuchte, sich nichts anmerken zu lassen. Aber er kämpfte mit sich. Das war Sven Fellenberg. Sven, der ihm im letzten Jahr den Rucksack ins Schulklo ausgekippt hatte. Sven, der Nicks Unterhose aus der Schwimmtasche genommen und ans Drei-Meter-Brett gehängt hatte. Es gab immer noch Fotos davon auf Facebook. Man konnte deutlich den Spongebob vorne drauf erkennen. Doch es war auch Sven, den alle ganz toll fanden. Jedes Mädchen in der Stufe, das eine Party feierte, fragte zuerst Sven, ob er kommen wollte. Selbst die älteren Mädchen eine Klasse höher rissen sich um ihn. Und die Jungs fraßen ihm aus der Hand. Er hatte normalerweise ständig seine Clique um sich. Wenn Sven sich das neue iPhone kaufte, hatten eine Woche später alle übrigen ebenfalls das neue iPhone.
Stellte er sich mit dem Anführer besser, konnte das ein Ticket raus aus Verarsch-mich-Hausen sein. Die anderen hörten auf Sven. Er bräuchte nur eine Bemerkung zu machen wie: He, Leute, das ist mein Kumpel Nick. Und es würde ihn nie wieder jemand belästigen.
Nick kratzte sein bisschen Mut zusammen. »Was hast du denn da?«
»Komet«, sagte Sven. Er schob sich einen Löffel zwischen die Zähne und nuschelte: »Komet - blaue Grütze. Einfach genial.«
»Cool.« Nick wusste, dass das zu wenig war. Er müsste jetzt irgendetwas sagen. Etwas Kluges. Oder etwas Witziges. Damit Sven merkte, dass es sich lohnte, sein Kumpel zu sein. »Die schmeckt bestimmt toll.« Oh, nein! Das war weder klug noch witzig. Das war ein Volltrottel-Satz, mit dem ein Volltrottel praktisch ausrief: Seht alle her, ich bin ein Volltrottel!
Sven mahlte auf dem Brei rum. Er schluckte genüsslich. Dann grinste er mit lila Zähnen. »Willst du wirklich nicht probieren?«
»Doch.«
Nick schob den Comic zu den anderen in den Rucksack. Hauptsächlich, um kurz nachdenken zu können, was er jetzt tun sollte. Er durfte auf keinen Fall wieder wie ein Idiot dastehen.
Betont lässig ging er hinüber.
Sven fischte für Nick einen eigenen Löffel aus der Tüte und steckte ihn in die lila-blaue Masse. Nick bediente sich. Das Zeug zerging auf der Zunge. Es war glibbrig-süß und lecker und schmeckte irgendwie nach Beeren.
»Und?«
»Geil!«
Sven boxte ihn vor die Brust, dass man die Rippen krachen hörte. »Weißt du, eigentlich bist du gar nicht so übel.« Und er grinste sein gewinnendes Sven-Fellenberg-Grinsen. Nur ein bisschen violetter.

Im Kindle-Shop: Geburt eines Helden (Basaltblitz 1)

Mehr über und von Markus Tillmanns auf seiner Website.

Labels: ,