30. Juli 2014

"Linstows Geheimnis" von Isa Schikorsky

Göhren auf Rügen: Mitte März beginnt für die Empfangssekretärin Anna Schwanitz die vierte Saison im Seehotel. Sie ist glücklich, denn im Mai wird sie den Direktionsassistenten Frank Pannwitt heiraten und mit ihm die Leitung des Hotels übernehmen. Der Mord an einer jungen Frau, die Gast des Hotels war, scheint diese Pläne nicht zu gefährden. Doch dann erfährt Anna, dass der Übernahmevertrag für das Hotel geplatzt ist, weil Frank die Abstandssumme nicht gezahlt hat – sein Konto ist leer. Schließlich geraten er und andere Angestellte ins Fadenkreuz der polizeilichen Ermittlungen. Und Anna wird immer mehr zur Detektivin wider Willen ...

„Linstows Geheimnis“ empfiehlt sich als ideale Urlaubs- und Strandkorblektüre. Der mit einer Liebesgeschichte gemixte Rügenkrimi hat eine sympathische Hotelangestellte als Ermittlerin, bietet viel Lokalkolorit und macht sicher all denen besonderen Spaß, die guten Wein, leckeres Essen und die Ostsee lieben.

Gleich lesen: Linstows Geheimnis. Kriminalroman

Leseprobe:
Das Wetter hatte schon wieder gewechselt. Der Wind trieb Regen vor sich her, der den Schnee zum Schmelzen brachte. Das Meer rauschte schäumend über die Steine. Doch in Annas Kopf schien die Sonne. Glenn Millers Swing kribbelte noch in den Beinen und machte das Laufen leicht. Im Kopf fuhr ein einziger Gedanke Karussell: Er liebt mich, er liebt mich, er liebt mich.
Die Konturen des Lobber Hakens verschwammen hinter einem Regenschleier. Beim Näherkommen bemerkte Anna einen roten Fleck im Abbruch. Was mochte das sein? Auf jeden Fall etwas, das gestern noch nicht dort gelegen hatte. Oder vom Schnee verdeckt worden war. Genau dort war die Erdpyramide zusammengestürzt.
Anna behielt das Rot im Blick. Irgendwann begann eine Alarmglocke tonlos zu schrillen, ließ den Swing verstummen, stoppte den kreiselnden Gedanken und signalisierte stattdessen – ja, was eigentlich? Unruhe? Angst? Plastikschrott könnte es sein ... eine leere Coladose ... Warum kam sie nur so langsam voran? Grober Kies bremste ihren Lauf. Rot ... Himbeerrot ... – nah, noch näher – jetzt hatte sie die Stelle erreicht.
Zwischen Lehmbrocken und Schneeresten schimmerte ein Stück schmutziger, himbeerroter Stoff. Anna versuchte ihn hervorzuziehen, vergeblich. Der Lehm klebte zäh am Gewebe und an den Händen.
Abrupt drehte sie sich um und lief, nein, rannte zurück. Da war kein Wissen, nichts. Nur ein Gefühl trieb sie vorwärts. Außer Atem und völlig durchnässt erreichte sie das Hotel, stolperte an die Rezeption und tippte mit lehmverkrusteten Fingern die Nummer von Linstows Zimmer. Lehmann kam aus dem Büro und starrte sie an. Erst als Anna Linstows verschlafene Stimme hörte, wurde ihr bewusst, was sie gerade tat. »Entschuldigen Sie bitte die Störung«, stotterte sie, noch immer japsend. »Ist Ihre Tochter da?«
»Ob meine Tochter hier ist?«, knurrte Linstow. »Ich wüsste nicht, was Sie das angeht.«
Nein natürlich, das ging sie überhaupt nichts an. Anna schwieg, sie wusste nicht, was sie noch sagen sollte. Neben den Schuhen bildete sich eine Pfütze.
»Aber wenn es Sie beruhigt, meine Tochter Vivien musste für ein paar Tage nach Hamburg fahren.« Linstow war ungehalten, das merkte man seiner Stimme an. Während Anna noch nach einer Entschuldigung suchte, hatte er bereits wieder aufgelegt.

Im Kindle-Shop: Linstows Geheimnis. Kriminalroman

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29. Juli 2014

"Pilluralli" von Mikki H.

Ein Roman aus Lappland. Yrjö Ahvenjärvi, 65-jähriger Pensionist, verstand sie nie. Die jugendlichen Angeber, die in ihren aufgemotzten Autos sinnlos in der Gegend herumfuhren. Stets auf der Suche nach dem anderen Geschlecht. Und doch setzte er sich intensiv mit der Subkultur der jungen Leute eines Finnisch-lappischen Dorfes auseinander, wurde zu einem der ihren. Seine Ehe und Freundschaften standen kurz vor dem Aus, dennoch ließ er sich nicht von seinem Weg abbringen, zu seinen Entscheidungen zu stehen und dabei kam er einer Überraschung auf die Spur.

Tauchen Sie ein in eine kurzweilige, über kulturelle und geographische Eigenheiten informative, lustige, aber ebenso traurige Geschichte von Generationsunterschieden. Gewürzt mit dem exotischen Flair Lapplands. Ein Roman über die Sinnlosigkeit des Todes junger Menschen. Eine Auseinandersetzung vom Alter mit der Jugend. Von einem Mann, der sich nicht von seinem Weg abbringen lässt. Ein Roman über Liebe, Freundschaft und Generationskonflikte.

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Leseprobe:
Yrjö, ging zügig, mit ausholenden Schritten wie die eines Elches, den stetig leicht bergauf gehenden Waldweg zum Dorffriedhof hinauf. Der Friedhof lag inmitten des nicht sehr dichten Kiefernwaldes. Wald gab es in Hülle und Fülle, 300 Kilometer jenseits des Polarkreises. Aber er bestand aus wenig Unterholz. Die Bäume wuchsen verschwenderisch weit auseinander, als wüssten sie vom vielen unbewohnten Platz, der ihnen für ihre Ausbreitung zur Verfügung stand. Seine Alaskan Malamutehündin Kinkku, sie trug den Namen - Schinken - zu Recht, da sie selbst die für diese Rasse typische Verfressenheit übertraf, zog wild an der Leine. Er hatte Mühe Schritt zu halten, spürte, dass er bereits zu schwitzen begann und wusste, wenn er stehen bliebe, dann würden aus angenehmen minus fünfzehn Grad eine unangenehme Angelegenheit werden. Die höchsten Kiefern und Birken der Gegend reckten das Haupt stolz dem Himmel entgegen, als wollten sie den Seelen der Neuen, die zu ihren Füßen gebettet wurden, die Richtung weisen. Wie auch Kirchtürme war der gesamte Baumbestand innerhalb des Gottesackers höher als irgendwo sonst und hob sich ab vom Rest. Man sah den großen, erhabenen Bäumen ihr Alter an. Sie schienen selbst den nach Holz und Geld gierenden Menschen, derer so viele zu ihren Wurzeln lagen, überlegen zu sein. Die Friedhofsmauer, gesetzt aus ansehnlichen Steinen, die vor langer Zeit mühsam aus dem nahen Fluss hierher geschleppt wurden, konnte man schon von weitem sehen. Umrahmt von dieser mittelalterlich anmutenden, fast eineinhalb Meter hohen Steinmauer, fühlten sich Tote wie Lebendige gut behütet wie in einer Burg. Das Alter sprang einem hier entgegen, war greifbar. Nicht mehr ganz im rechten Winkel, aber respektvoll, trotzten bis zu 300 Jahre alte Kunstwerke vergangener Steinmetze der Unbarmherzigkeit der Zeit und der noch unbarmherzigeren Polarkälte. Wie das schwarze Schaf inmitten der andersfarbigen Artgenossen, jedoch umgekehrt, nahmen sich nur einige weiße Holzkreuze das Recht vor zu existieren. Der stolze, massive Stein herrschte über das Gräberfeld, überdauerte Kriege, Hungersnöte, strengsten Frost und alle Kreuze aus Holz. Es gab wenig, das angepflanzt wurde. Vielmehr war der Boden, der letzten Ruhestätte für die Einwohner des kleinen lappischen Dorfes, kaum zu unterscheiden vom übrigen Waldboden. Wild wuchernd bedeckten ihn Blau- und Preiselbeerpflanzen, unterbrochen von den getretenen Wegen der Angehörigen. Das Erdreich war im Friedhof dichter als im restlichen Wald und wies, da die Steinmauer für Rentiere unüberwindbar war, viel mehr Flechten auf. Er war im Gegensatz zu den Bewohnern, die darunter lagen, voller Leben.
Seit 45 Jahren ruhte dort Yrjös, mit acht Monaten im Mutterleib verstorbener, Sohn. Er band die Leine an den gewohnten Baum vor dem Eingang, war überzeugt, dass sein Vierbeiner ebenso gerne hierher kam; wusste er doch nichts von dem Vogelhaus auf der anderen Seite. Menschen versorgten es mit Vogelfutter und Eichelhäher die ähnlich wild fraßen wie Kinkku, warfen es zu Boden, gaben kleinen Nagern, wenn die Hündin da war, auch größeren Tieren, ein Stück vom Kuchen ab.
Der Hund saß ruhig da und schaute seinem Herrchen nach, der durch die Öffnung in der Mauer ging und das schwere Eisentor hinter sich schloss. Sobald Yrjö verschwand, wirbelte sie den Düften der Nagetiere und den Körnern entgegen, vergrub ihre Schnauze in den Untergrund.
Da in Lappland grundsätzlich kein Platzmangel herrschte, standen die Gräber weit auseinander und wirkten wild durcheinander gewürfelt, als wären die Toten vom Himmel gefallen und genau so, wie sie aufkamen, beerdigt worden. Yrjö war immer schon verleitet die Individualität zu durchschauen, versuchte von Anfang an herauszufinden, wo die Symmetrie versteckt lag. Vielleicht machte gerade diese Besonderheit, da Friedhof eigentlich sonst stets traurig, ihn so sympathisch. Er fühlte hier Friede, die Mauer sorgte für Geborgenheit, die Weite für Freiheit, die großen Bäume und alten Gräber für Bestand und Respekt vor dem Alter, der einem Selbst, in jenen Jahren, nur mehr selten entgegengebracht wurde.
Ein im Schoß der Erde zu Staub zerfallener Körper konnte keinen Ersatz für einen lebendigen Menschen darstellen, aber für Yrjö war der Friedhof die einzige Vater-Sohnbeziehung, die er je gehabt hatte, je haben würde. An Vorstellungskraft mangelte es ihm keinesfalls. Der Sohn war in seinen Gedanken vorhanden und er sah ihn zu einem Mann heranwachsen. Ihm auf Erden näher zu kommen als am Grab war ihm unmöglich und so kam er fast täglich hierher, erzählte ihm vom Wetter, von der Speisekarte und der aktuellen politischen Lage. Sagte ihm, wie alt und wie groß er gerade geworden wäre. Er sprach mit ihm, als stünde er ihm gegenüber. Der Tod Yrjös’ Sohn war der Anfang und nicht das Ende, eines gemeinsamen Lebens gewesen, eines Daseins auf einer geistigen Ebene. Yrjö, ein durchwegs realistisch denkender Mensch, ignorierte, seit er von dem behandelnden Arzt die Hiobsbotschaft überbracht bekam, wie abstrakt es auch sein mochte, dass nie jemand zu ihm ´Vater` oder ´Großvater` sagen würde. Er nahm den Tod hin und glaubte, ohne jedoch an einen Gott zu glauben, ohne den Himmel als Ort der Seelen, als das Paradies zu bezeichnen, dass der Sohn an einem friedlichen Ort seinen Papa hören und verstehen konnte. Kein religiöser Gedanke versteckte sich hinter dem Grabeskult und den Gesprächen, die er pflegte.
»Es ist nicht zu warm für Oktober«, sagte Yrjö zu dem Grab vor ihm mit tiefer kehliger Stimme. Er wippte auf und ab, die Hände in den Taschen der Trainingsanzugsjacke vergraben. Er sah auf die liebevoll gepflegte Grabstätte hinab: Grableuchte, dessen Feuer gleich dem olympischen nie erlosch. Schwarzer Marmor mit gebrochener Rose. Kaarina – zu Deutsch Erika oder Heidekraut, am Boden gepflanzt, kein Krümel beschmutzte die Blumenerde, die den Untergrund bedeckte. Auf dem Grabstein mit goldenen Lettern ein Stern und ein Kreuz mit demselben Datum, darunter ein Schriftzug:
»Dein Flämmchen durfte nie zur Flamme werden
Nur im Mutterbauch warst du, doch nie auf Erden
Du konntest uns kein Lachen schenken
Deiner Seele wir doch stets gedenken.«
Yrjö liebte das Flämmchen, dessen Geist sich weder im olympischen, noch in sonst einem Sinne entfalten durfte. Die Hand fuhr zum Mund und wollte die Pfeife greifen. Es war ein unbewusster Vorgang, welchen er häufig machte. Doch an diesem kalten Tag spürte er im Mundwinkel nur die weißen Bartstoppeln, die ständig sein Gesicht zierten. Er versuchte sich vom versehentlichen Griff nach dem imaginären Rauchutensil abzulenken, indem er durch sein langes, schwer zu bändigendes Haar strich. Es war für einen 65-Jährigen außergewöhnlich dicht, aber auch puderweiß wie der Schnee, der schon bald fallen würde. Eiskristalle rieselten aus der Mähne. Der Schweiß hatte angefangen zu gefrieren.

Im Kindle-Shop: "Pilluralli"

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25. Juli 2014

"Das Glück ist ein flüchtiger Dieb" von Johanna Wasser

Welchem Plan folgt die Liebe? Welche Wege beschreitet das Glück? Als dem erfolgsversessenen Werbeagenturchef Steffen durch einen Irrtum die Reisetagebücher seiner seit Monaten verschwundenen Nachbarin Sophie in die Hände fallen, ahnt er nicht zu welchen Taten ihn diese noch verleiten werden. Zunehmend fasziniert taucht er in Sophies Leben ein, geht gedanklich mit ihr auf Reisen und fasst bald einen verhängnisvollen Plan, der ihrer beider Leben zusammenführen und von Grund auf verändern wird.

Dies ist eine Geschichte über das Glück und über das Schicksal, über das Weggehen und über das Ankommen, über das Lügen und über das Trauern. Und über die Liebe, von der man zwar davon laufen kann, die einen aber immer wieder einholen wird.

Gleich lesen: "Das Glück ist ein flüchtiger Dieb" von Johanna Wasser

Leseprobe:
Das rostige Quietschen der Straßenbahn zerschnitt Meter für Meter die Nacht, während die Tram sich aus der Enge der Gassen schlängelte. Irgendwo in der Nähe stritten sich zwei. Die Tram blieb stehen, horchte und schnaufte. Eine der Türen gab den Blick auf den einzigen Passagier frei, der mit dem Kopf ans Fenster gelehnt etwas in ein Notizbuch kritzelte. Ein großgewachsener Mann Mitte dreißig. Er verstaute das Büchlein in seiner Tasche, beugte sich nach vorne, stand auf und trat auf die Straße hinaus. Seine Lippen presste er wie zum Schutz gegen den Wind schmal aneinander, sah nach oben und murmelte etwas Unverständliches. Die Regentropfen im Scheinwerferlicht fielen zu Boden wie winzige Sternschnuppen. Der Mann räusperte sich, steckte beide Hände in die Seitentaschen seines Mantels und schloss die Augen. Steffen Leitner war kein Mensch, der zu Sentimentalitäten neigte.
Er hörte, wie der Zug sich hinter ihm in Bewegung setzte, machte die Augen auf, drehte sich um und sah der wegfahrenden Trambahn nach. Es dauerte eine Weile, bis das letzte Licht um die Ecke verschwunden war und die Bahngleise zwischen den Pflastersteinen in Dunkelheit versunken waren. Die Augen des Mannes begannen die Hausfassaden nach dem richtigen Weg abzusuchen. Einen Moment später verschlang ihn eine kleine Gasse links vor ihm, um ihn ein paar Straßen weiter wieder auszuspucken.
Vor einem weißen Jugendstilhaus blieb er stehen, wühlte eine Weile in seiner Tasche nach dem Schlüssel, sperrte die Haustür auf und steuerte die Treppe an. Unterwegs stoppte er, murmelte wieder, so als wollte er einen Gedanken abschütteln, wie das Regenwasser, das sich auf seinem Kragen gesammelt hatte, und machte kehrt. Wie schon oft hatte er auch heute seine Post vergessen. Nicht dass es sich gelohnt hätte zurückzugehen, bemerkte er, als er vor seiner Wohnungstür stand. Nur Werbung, der Stern und ein brauner Umschlag, der sich nach einem Infobrief einer Krankenkasse anfühlte und den er nicht öffnete, weil sein Interesse auf etwas anderes gelenkt wurde. Es war ein brauner Karton mit Bildern auf der Oberseite, der vor seiner Tür stand. Steffen grinste, schloss auf, hob das Paket hoch, trug es in die Wohnung und stellte es neben den Stapel der anderen Post auf den Tisch. „Du bist also die Überraschung“, flüsterte er mit dem Blick auf den Tesafilmstreifen, den er mit einem Griff ablöste. Er steckte seine Hand zwischen die Pappblätter, zog ein grünes, gebundenes Buch heraus und begann durch die Seiten zu blättern.
Er hatte damit gerechnet, dass Maja ihre versprochene Überraschung aus New York mitbringen würde, wo sie gerade ihren alljährlichen Shoppingurlaub machte. Und er hätte gar nicht mehr daran gedacht, wenn sie ihn nicht am Nachmittag noch extra per SMS daran erinnert hätte. Aber ein vollgeschriebenes Buch? Das überraschte ihn schon, zumal eher er derjenige war, der gerne schrieb. Seine Freundin hingegen ... Er lachte leise auf. Maja hatte andere Qualitäten. Das dachte er zumindest bis heute.
Er schmunzelte und vertiefte sich in die Seiten. Schnell fiel ihm auf, dass die meisten Einträge mit einem Datum versehen waren. ‚Seit wann schreibt sie denn Tagebuch?‘, überlegte er, griff nach seinem Handy, legte aber fast sofort wieder auf. In New York war es gerade ohnehin schon nach Mitternacht, daher beschloss er sie morgen näher auszufragen. Stattdessen ging er ins Wohnzimmer, goss sich ein Glas Rotwein ein, setzte sich auf die Couch und begann zu lesen.

"Das Glück ist ein flüchtiger Dieb" im Kindle-Shop

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23. Juli 2014

"Der Richter aus dem Schattenreich: Fletchers erster Fall" von Rudolf Otto Schäfer

Ein Fantasy-Krimi. Fletcher, ein unscheinbarer und durchschnittlicher Typ, will nach der Trennung von seiner Frau und dem nachfolgenden Umzug in ein kleines englisches Dörfchen, eigentlich nur seine Ruhe haben. Als aber Tom, der quirlig-nervende Geist eines Teenagers plötzlich Kontakt zu ihm aufnimmt und ihn um Hilfe bittet, ist es mit der Ruhe schlagartig vorbei. Dämonische Mächte planen die Menschheit zu versklaven.

Zusammen mit der attraktiven Alison - Besitzerin eines Esoterik-Geschäfts und selbst ernannte Fachfrau für übersinnliche Phänomene, nehmen sie den Kampf auf. Wird das ungleiche Trio die Welt retten können?

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Leseprobe:
Ich atmete also mehrfach tief und ruhig in meinen Bauch und schloss die Augen. Als ich sie wieder öffnete und die beschlagene Duschwand anstarrte, bemerkte ich im rechten Bereich des Raumes einen diffusen Farbklecks. Es sah fast so aus, als würde jemand im Raum stehen und mich beobachten. Mein Herzschlag schoss nach oben und ich starrte mit zusammengekniffenen Augen weiter dort hin. Da an der Stelle ... war eigentlich gar nichts. Ich zog also langsam die Duschwand auf, steckte meinen Kopf hervor und sah ... Ach du Scheiße … den Jungen!
„Hallo“, sagte der Junge, den ich gestern während meines kurzen Spaziergangs gesehen hatte. Er stand vor mir, in den gleichen Klamotten wie gestern und immer noch nackten Füssen, hob grinsend eine Hand zum Gruß, und meinte: „Brauchst keinen Bammel haben, Fletcher! Es ist alles in bester Ordnung!“
Laut aufschreiend jagte ich aus dem Bad und haute mir im rauslaufen den großen Zeh an der Tür. Schlitternd, und schwer atmend, kam ich in meinem Wohnraum zum Stehen. Mit einer Hand fischte ich mir die Unterhose vom Bett und behielt dabei die Tür im Auge.
Ich schrie so Sachen wie: „Bleiben Sie, wo Sie sind ... ich bin bewaffnet!“ und betrachtete dabei die leicht muffige Socke vom Vortag in meiner rechten Hand. Sollte er nur kommen! Der Duft des Todes würde ihn schneller, als ein Pistolenschuss ins Jenseits schicken.
Ich hatte mich nun vollständig angekleidet und starrte noch immer auf die Tür. Nichts tat sich.
„Los komm da raus Junge! Geh einfach nach Hause, dann ist alles in Ordnung! Kannst auch´n paar alte Treter von mir bekommen, aber hau ab!“
Nichts. Keine Antwort, kein Mucks. Ich griff mir die alte Rohrzange, mit der ich gestern noch das Waschbecken angeschlossen hatte; bereit ihm die dickste Beule seines Lebens zu verpassen, sollte er es auch nur wagen, näher als einen Meter zu kommen. Mit zum Schlag ausgeholtem Eisen, schob ich mich zentimeterweise an die Badezimmertür. Ich kickte sie auf und sah: Niemanden!
Ich schaute leicht vorgebeugt in den Raum hinein, ging bis in die Zimmermitte, drehte mich einmal im Kreis, schaute auf das Abzugsloch in der Decke und dachte, wenn er sich nicht in den Aggregatzustand Dampf verwandelt hatte, müsste er normalerweise noch hier drin sein. Ich lies meinen Arm mit dem „Beulenbringer“ nach unten fallen und setzte mich auf die Klobrille.
Kalter Schweiß rann mir über die Stirn. Ob ich wohl krank war und ich mir das alles nur eingebildet hatte? Was war nur mit mir los? Plötzlich rutschte mir die Zange aus den Händen und ich heulte wie ein kleines Kind. Lautes Schluchzen, laufender Rotz. Ich wischte mir den Schnodder mit reichlich Toilettenpapier ab und verbrauchte so um die zwei Rollen, bevor ich wieder einigermaßen zu mir kam.
Ich war also offiziell total gaga und meine Nerven hatten die Konsistenz von zu lang gekochten Nudeln.
Blöder, dummer Bockmist! Jetzt verschwanden schon Leute vor meinen Augen. Oh großer Gott, ich sah mich schon mit Tabletten ruhig gestellt, leicht sabbernd mit einem halb fertigen Topflappen, den ich stricken musste, in so´ ner Klinik sitzen.
Es musste was passieren! Und das schnell! Ich klappte mein neun Jahre altes Handy auf, betete nochmals zu Gott, dass ich genug Guthaben hatte und wählte die Nummer meiner Hausärztin, die mich schon lange kannte. Ich ergatterte noch einen Termin für den heutigen Tag, was ich aber nur mit Zitterstimme und halb angesetzten Schniefgeräuschen durchsetzen konnte. Einerlei, ich hatte einen Termin. Sofort schnappte ich mir meine Ziggis, die Jacke, Autoschlüssel und stand ein paar Sekunden später ohne Schuhe vor meinem Auto. Wäre es nicht so verdammt lustig gewesen, ich schwöre, ich hätte auf der Stelle wieder anfangen können zu heulen.
Die fünf Kilometer bis in die Stadt hatte ich schnell geschafft. Ich stellte meine Karre auf dem Parkplatz der Post ab, über den ich mich immer immens ärgerte, weil er einem Testgelände für Stoßdämpfer glich und auch ziemlich happig bei den Parkgebühren war. Nachdem ich den Parkautomaten ordentlich mit Münzen gefüttert - und mein Ticket bekommen hatte -, meinte ich jedenfalls ein leichtes Rülpsen zu hören, begleitet vom hohlen Gelächter des Eigentümers.
Ich winkte mit dem Ticket noch der Knöllchentante zu, die damit beschäftigt war einen falsch abgestellten Mercedes mit einer Verwarnung zu schmücken, ergatterte aber nur ein saures Gurkengesicht und machte mich auf die Socken.
Da ich noch Zeit hatte, nahm ich Platz in meinem Lieblings Café, dem Danielli, und orderte eine Tasse Milchkaffee.
Nach zwei Kaffees der Marke „Koffeinschub der Woche“ und weiteren fünf Zigaretten, bezahlte ich und schlenderte Richtung Arztpraxis.
Was sollte ich meiner Ärztin bloß sagen? Was würde passieren? Was würde sie machen? In meinen Visionen sah ich, wie sie in den Telefonhörer säuselte, und mich dabei angrinste. Nach ein paar Minuten würde dann die Tür aufgehen: Zwei Männer, die auch als Gorilla-Double in weißen Kitteln durchgingen, würden eintreten. Sie würde aufspringen (mit Angst verzerrtem Gesicht), sich in die Ecke drücken, auf mich zeigen und schreien: „ DA ERGREIFT IHN, DEN … DEN … IRREN!“
Oh mein lieber Vater, vielleicht sollte ich besser nur in die Apotheke gehen und mir einen Baldriantee holen! Der hatte mich früher immer so schön beruhigt, aber weil ich selber nicht daran glaubte, dass er mir in dieser Situation half, machte ich mich doch lieber auf den Weg zur Praxis. Ich würd´ dann eben mit den Gorillas Ringkampf üben und mir ein paar Spritzen vom allerfeinsten in die Hinterbacken geben lassen.
Hauptsache, ich sah keine Halluzinationen mehr! Wenigstens keine, die durch Abzugsrohre das Haus verließen oder sich das Klo herunterspülen konnten!
Langsam schritt ich die Kirkwood Street hoch. Ich war nicht in Eile und schaute mir rechts und links des Weges die Auslagen in den Geschäften an. Gott sei Dank, war es auf der beliebten Einkaufsstraße noch nicht so voll. Vereinzelt sah man Schüler, mit der mittlerweile obligatorischen Flasche in der Hand. Weiß der Geier, ob´s nur ´n Fruchtsaft, ein Energiedrink oder, was weiß ich, war. Als ich noch in dem Alter war, fanden wir solch ein Verhalten immer leicht assig und so hätte man uns höchstens Abends beim Warmtrinken, vor einer Disco gesehen, aber was soll´s. Die Zeiten ändern sich halt und man hat da sowieso keinen Einfluss drauf.
Eh ich mich versah, stand ich auch schon vor der Praxis meiner Ärztin.
Ich atmete noch mal schnaufend aus und nahm statt des langsamsten Aufzugs der Welt, die Treppe. Früher hätte ich meistens zwei Stufen auf einmal genommen, aber heute waren meine Beine bleiern und mein Herz klopfte mir bis zum Hals, als ich die dritte Etage erreichte. Mann-O-Mann, dachte ich, wenn man vorher keine gesundheitlichen Probleme hatte, dann jetzt auf jeden Fall.
Ich gab meine Karte bei der Arzthelferin ab.
„Bitte setzen sie sich noch einen Augenblick in den Warteraum, ich rufe sie gleich auf.“
Mir wurde klar, dass ich noch Zeit hatte mich mit den interessantesten Artikeln der Sun und des neuen Daily Star zu beschäftigen.
Das Wartezimmer war nicht ganz so voll wie erwartet und ich fischte mir im vorbeigehen eine halbwegs interessant aussehende Zeitung vom Tisch.
Ich pflanzte meinen Allerwertesten auf einen freien Platz am Fenster und vertiefte mich in den Artikel über einen spanischen Mann, der versuchte mit billigen Kirschen aus Bulgarien den englischen Markt zu erobern.
Ich konnte mir ein Grinsen nicht verkneifen und dachte, dass alle Discounter hier im Land schon mächtig Bammel vor ihm haben würden. "Blödmann!“
Ups! Hatte ich das gerade laut gesagt?

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14. Juli 2014

'Host me!? - Kindle eBooks erstellen und erfolgreich bewerben' von Tobias Schindegger

In diesem Ratgeber aus der Host me!? - Reihe werden Sie erfahren, wie Sie Ihr Manuskript in ein eBook für Amazon’s Kindle umwandeln, auf Amazon zum Verkauf anbieten und es erfolgreich bewerben können. Sie werden erfahren, wie Sie Ihren Text vorbereiten, ein ansprechendes Cover gestalten und möglichst viele potentielle Leserinnen und Leser bzw. auch Käuferinnen und Käufer erreichen.

Bei der Host me!? - Reihe handelt es sich um Ratgeber, die schnell, einfach, günstig und unkompliziert ein Thema bearbeiten. Der Ausdruck Host me!? stammt aus dem bayerischen und bedeutet soviel wie “Haben Sie mich verstanden?”. Es ist sozusagen für den Fragesteller von hoher Wichtigkeit, dass sein Gegenüber keine offenen Fragen mehr hat, zu dem Thema allumfassend informiert ist und glücklich und zufrieden sein Tatwerk vollenden bzw. bestreiten kann. Genau dies ist auch das Anliegen der gleichnamigen Reihe.

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Leseprobe:
Bevor Sie sich an die Umwandlung des Textes in das eBook-Format wagen, müssen einige Dinge berücksichtigt werden.
Bedenken Sie bei der Gestaltung Ihres Textes, dass man auf einem Kindle die Schriftgröße variabel einstellen kann. Ihr Text sollte somit in allen Größen gut zu lesen sein.
Vom Blocksatz rate ich ab, da durch die Schriftgrößeneinstellung Lücken entstehen können. Grafiken im Text sind prinzipiell möglich. Bedenken Sie aber stets, dass ihr eBook nicht nur auf bunten Tablet-Computern gelesen werden, sondern auch auf den hochauflösenden E-Ink-Display des Kindles dargestellt werden. Dieser stellt zwar nur Graustufen zur Verfügung, bietet allerdings eine Auflösung von 167 dpi an. (Zum Vergleich: Bilder auf Bildschirmen können bisher nur mit maximal 72 dpi dargestellt werden) Beachten sie also bei Grafiken, dass sie diese in einer entsprechenden Auflösung auch speichern. Bei Fotos empfiehlt sich das JPEG-Format. Bei reinen Grafiken oder Zeichnungen empfiehlt sich das GIF-Format.
Zunächst beginnt ein eBook mit einer Titelgrafik. Amazon empfiehlt mindestens 1000 Pixel an Höhe - optimal jedoch ist das Format 2500x1563 Pixel. Näheres zum Cover erfahren sie im Kapitel Cover für das eBook.
Dann legen sie einen “Seitenwechsel” mit Ihrer Textverarbeitung an. Bei den gängisten Textverarbeitungen geschieht dies in dem Sie die Taste “Strg” (bzw. bei englischen Tastaturen “Ctrl”) und die Enter- bzw. Eingabetaste drücken. Welche Textverarbeitung sie nutzen ist zunächst irrelevant. Ich empfehle Word 2007 mit Service Pack 3 (oder höher). Es gibt auch kostenlose Variante wie z. B. LibreOffice, OpenOffice oder sie nutzen eine ebenfalls kostenlose Online-Textverarbeitung in der Cloud wie zum Beispiel Google Drive (ehemals Google Docs). Der Vorteil der zuletzt genannten Variante ist, dass sie lediglich einen Browser und einen Google-Account benötigen und sie von jedem internetfähigen Rechner der Welt auf ihr Dokument zugreifen und es verändern können. (Ein guter Freund von mir hat mit dieser Methode einen Reisebericht während seiner Europareise geschrieben, in dem er Internet-Café’s genutzt hat. Somit musste er nicht ständig seinen Notebook tragen und sich Gedanken über Internet-Roaming-Gebühren machen.)
Formatierungen wie fett, kursiv oder andere Schriftarten können durchaus genutzt werden. Beachten sie aber die grundsätzliche Designer-Regel “Weniger ist mehr”. Das bedeutet, seien sie sparsam mit der Verwendung von Textformatierungen oder häufigem Schrifttypenwechsel. Weiterhin gilt es, die Überschriften als solche zu definieren. Nutzen sie dabei in ihrer Textverarbeitung die entsprechende Formatierungsoption (Titel, Untertitel, Überschrift 1, Überschrift 2, Überschrift 3, etc. ..) Dies ist notwendig um später ein Inhaltsverzeichnis anlegen zu können bzw. um Sprungmarken zu ermöglichen.

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11. Juli 2014

"Einmal Timbuktu - und lebendig zurück" von Alex Tannen

Alex Tannen ist auf dem Weg ins legendäre Timbuktu am Südrand der Sahara. Und so wie sich Wüstenreisende früherer Epochen den Weg freikaufen mussten, ist es im westafrikanischen Mali immer noch: Kostenpflichtige Straßensperren; aggressive Guides und neunstündiges Warten auf irgendein Auto – an der Hauptstraße des Landes. Schließlich liegt er im abbruchreifen Provinzhotel im Fieber und denkt, er muss sterben. Doch für einen Globetrotter sind das die richtigen Herausforderungen – und Quellen von Geschichten.

Auf erholungssuchende Touristen war Mali während Tannens Reise im Jahr 1996 nicht eingestellt – im Gegenteil: Die wenigen Gäste wurden von Polizisten und Taschendieben vergrault. Doch die Menschen und ihre Gastfreundschaft haben ihn entschädigt, während er zu den einzigartigen Reisezielen unterwegs war: Die surreale Lehmmoschee von Djenné, die Felslandschaft des geheimnisvollen Dogonlandes, mit Holzbooten auf dem Niger, die skurril geformten Berge von Hombori und schließlich eine Woche Suche nach einem „Geheimtipp-Wasserfall“.

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Leseprobe:
Bamako, 12. Oktober 1996. Pünktlich und vor allem sanft setzt die Air-France-Maschine am Flughafen von Bamako, der Hauptstadt Malis, auf. Eine solch sichere Landung scheint hier nicht der Standard zu sein: Gleich neben der Piste, auf dem Grasstreifen, verrottet ein Flugzeug, an dessen Wrack wir knapp vorbeirasen. Bienvenue à l‘Afrique.
Alle Passagiere unserer Maschine müssen sich in nur einer Schlange einreihen, und in einer Mischung aus Aufregung und Langeweile beobachte ich die Einreiseprozedur: Weniger aufgeregt, dafür aber ebenso gelangweilt schauen die Beamten nach den Visa, Formularen und der Gelbfieberimpfung. Doch eine Stunde Warten fällt nicht ins Gewicht, die Vorfreude auf meine Tour wiegt alles auf. Reisende früherer Epochen hatten ganz andere Strapazen auszustehen.
Denn ich möchte nach Timbuktu, in die legendenumwobene Stadt am Südrand der Sahara. Allein deswegen bin ich nach Mali gereist. Timbuktu, jahrhundertealter Traum europäischer Herrscher und Reisender: „Rom des Sudans“[1], „Königin der Wüste“, das waren die Attribute, die vor knapp 200 Jahren die europäischen Afrikaforscher lockten. Viele von ihnen schafften es nicht bis zur Stadt, und wenn, dann sind sie oft nicht lebendig zurückgekehrt. Der schottische Wissenschaftler Alexander Gordon Laing ist nach seinem Aufenthalt 1826 ermordet worden. Mungo Park, ebenfalls ein Schotte, hat Timbuktu erst gar nicht erreicht und fand bereits 1806 den Tod am Niger. Kein Gelehrter, sondern der französische Bäckersohn René Caillié schlug sich 1828 in die Oase durch, er gab sich als Moslem aus. Unter unsäglichen Strapazen kehrte er als erster Europäer aus der Traumstadt zurück, doch die meisten Zeitgenossen glaubten ihm nicht, da er – weil er kein Forscher war – keine tiefgründigen Studien angestellt oder Karten angefertigt hatte. Undenkbar erschien vielen Skeptikern auch der Verfall Timbuktus, den Caillié wahrheitsgetreu schilderte, schließlich galt die Stadt als El Dorado der Sahara. Dies gipfelte in dem Vorwurf, er sei nie dort gewesen. Er starb verarmt und verbittert mit nur 38 Jahren. Letztlich erreichte der deutsche Afrikaforscher Heinrich Barth, im Auftrag Großbritanniens unterwegs, 1853 die Stadt, hielt sich dort acht Monate auf und kehrte wohlbehalten und mit detaillierten Studien zurück. Er errang mit seinen fünf Bänden Reisen und Entdeckungen in Nord- und Centralafrika nicht nur Ruhm in der Fachwelt, sondern bestätigte und rehabilitierte auch Caillié.
Ich weiß also, dass von der einstigen Bedeutung der Wüstenmetropole schon lange nicht viel übrig geblieben war, alle Reiseführer und Forschungsberichte betonen dies. Doch der Ruf und die Geschichte zogen mich hin und, ja, als Globetrotter wollte ich einmal im Leben in Timbuktu gewesen sein.
Natürlich liegen noch andere Attraktionen an meiner Reisestrecke: Ich freue mich auf Djenné, die alte Stadt im Nigerbinnendelta mit der berühmten Lehmmoschee; das Dogonland, einer Felslandschaft, die von den – selbst für afrikanische Verhältnisse – archaisch lebenden Dogon bewohnt wird; und ich möchte zu den Kegelbergen von Hombori.
Nach einer Stunde ist die Einreisezeremonie vorüber, mein Rucksack vollendet unberührt seine fünfzigste Runde auf dem Gepäckband. Ich lasse alle „Helfer“ mit ihren selbstgebastelten, offiziösen Ausweisen stehen und mache mich auf den üblichen Tumult gefasst, als ich durch die Ausgangstür in die Flughafenhalle trete. Im Flugzeug hatte es sich nicht ergeben, mich mit anderen Touristen zusammenzuschließen. So muss ich alleine zusehen, wie ich ins Zentrum gelange und wo ich übernachte. Mein fünf Jahre alter Reiseführer empfiehlt einige Unterkünfte, aber: Existieren sie noch, sind sie halbwegs in Schuss – und vor allem, gibt es noch ein freies Zimmer? In das erste Haus am Platz, das überteuerte Hotel de l‘Amitié, zieht es mich nicht.
Rein körperlich müssen sich Filmstars wohl so fühlen, wenn sie von Fotografen und Fans umringt werden, das Glücksgefühl dürfte bei ihnen jedoch weitaus größer ein, denn in meinem Fall sind es nur Taxifahrer, Möchtegern-Guides und Taschendiebe, die sich vor der Halle auf mich stürzen. Ich weiche Richtung Bank aus, um mich erst einmal mit einheimischen Francs CFA zu versorgen, den Francs de la Communauté Financière d'Afrique.
Ein Dutzend west- und zentralafrikanischer Länder, fast alles französische Ex-Kolonien, hat eine gemeinsame Währung, den CFA-Franc. Sie haben sich in zwei geografische Gruppen aufgeteilt, sodass es zwei unterschiedliche Zahlungsmittel gleichen Namens gibt – allerdings mit identischem Wert und demselben Mechanismus: Frankreich, das so als ehemalige Kolonialmacht seine wirtschaftlichen und politischen Interessen in der Region wahren will, garantiert den Umtauschkurs von einem Französischen Franc zu hundert CFA-Francs. Durch die Bindung ist die Währung stabil und die Inflation niedrig, was außergewöhnlich für Drittweltländer ist. Gleichzeitig hat die heimische Wirtschaft Nachteile, etwa beim Export, da die Währung stärker ist als die tatsächliche Wirtschaftskraft. Bis zum Januar 1994 lag das Verhältnis bei 1:50, dann wurde dieser Stützungskurs Frankreich zu teuer. Es wertete die Währung neu und verlangt seitdem 100 statt 50 CFA-Francs für einen Französischen. Von einem Tag auf den anderen war der Franc CFA somit nur noch halb so viel wert. Die Preise haben sich verdoppelt, während die Menschen dasselbe wie zuvor verdienen, was auch zu Demonstrationen, Chaos und Unruhen führte.
Unwillig schiebt der Bankangestellte die große Glasscheibe beiseite. Ich wechsle 300 DM, worauf ich rund zweihundert 500-Francs-CFA-Scheine erhalte, die kleinste Banknote überhaupt im Wert von nicht einmal zwei Mark. Es sieht aber nach viel mehr aus, und so verstaue ich schnell den dicken Packen in meiner geräumigen Armeehose.
Ich hole tief Luft, ich muss zu den Taxifahrern, meine erste Bewährungsprobe beginnt: Als allein reisender Rucksacktourist, der nicht vom Hotel, von Familienangehörigen oder einem Tourbus abgeholt wird, gelte ich als Lottogewinn – auch weil die meisten Reisenden kurz nach der Ankunft noch keine Ahnung vom Preisgefüge haben. Ich dagegen hoffe, meine Erfahrung aus dem Senegal nutzen zu können, in dem ich ein Jahr zuvor war und wo dieselbe Währung gilt. 4.000 Francs (13 DM) setze ich mir zum Ziel, maximal 6.000 Francs würde ich zahlen, um ins Zentrum zu gelangen. Rasch werde ich umringt, alle reden auf mich ein, jeder will mich in sein Auto zerren, aber ich gebe mich reserviert. Zuerst suche ich mir einen Fahrer aus, der mir ein Hotel empfehlen kann. Ihn frage ich nach dem Fahrpreis. 8.000 Francs verlangt er für die Fahrt, knapp 30 DM. Für ein Land, in dem ein Facharbeiter keine 100 DM verdient, wenn er verdient, ist das zu viel. Wir treffen uns schnell bei 5.000 Francs, ein manierlicher Preis.
Wir fahren los. Aber nicht allein, plötzlich setzt sich ein Bekannter auf den Beifahrersitz. Vielleicht ein Freund, der auch in die Stadt will – oder jemand, mit dem er gemeinsame Sache macht?

"Einmal Timbuktu - und lebendig zurück" im Kindle-Shop

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10. Juli 2014

"Wer bin ich? Fabelhaft anders" von Andrea Spreitzer und Ludwig Sinzinger

Es ziehen düstere Wolken auf. Die Fabelwelt gerät unter Druck. Diese Fabel verweist auf die Identitätsfrage und wie man den Weg zum eigentlichen Ich verstellt bekommt, beziehungsweise selbst mit emotionalen Barrikaden versperrt. Natürlich werden Ihnen auch Wege zum Ich gezeigt und welche Risiken Sie dabei eingehen müssen. Des Weiteren wird das Thema Angst recht abenteuerlich unter die Lupe genommen.

Erfahren können Sie auch, wie die Last der persönlichen Vergangenheit ertragbar werden kann. Das Geheimnis der Menschwerdung wird angetastet und Bestandteil einer Odyssee sein. Lassen Sie sich von einem Orakel vereinnahmen.

Gleich lesen: "Wer bin ich? Fabelhaft anders" von Andrea Spreitzer und Ludwig Sinzinger

Leseprobe:
Es war eine der Nächte, die ich, Ereg Flieger, ziemlich schlaflos verbrachte. Ich wälzte mich unruhig in meinem Bett umher und versuchte die Ruhe zu finden, welche mich friedlich einschlafen lassen würde. Die richtige Bettschwere war mir nicht vergönnt. Mich peinigte ein Gedanke, wieder und immer wieder. Ich konnte diesen Gedanken nicht geistig fassen und fixieren. Er geisterte diffus durch meinen Kopf. Im Ergebnis dessen erging an mich keine Aufforderung oder Botschaft. Nein im Gegenteil, es fanden lediglich negativ ausgerichtete und impulsartig verlaufende Reizanflutungen statt. Gedankensplitter mit der Wirkung von kleineren Elektroschocks. Immer dann, wenn mich ein derartiger Gedankenblitz traf, saß ich aufrecht im Bett, schaute verdutzt in die Dunkelheit und wusste nicht, was geschehen war. Um diesem Wahnsinn zu entgehen, begab ich mich, nur mit einem Schlafanzug bekleidet, auf die Terrasse. Der Tag begann bereits zu erwachen, was durch das lautstarke Vogelgezwitscher signalisiert wurde, obwohl es noch vollkommen dunkel war. Plötzlich bemerkte ich ein Licht, welches tänzelnd auf mich zuflog. Was sollte das sein? Noch konnte ich nichts erkennen. War das eventuell lediglich ein Traum, welcher mich trotz Schlaflosigkeit dennoch in seinen Bann zog und mich beherrschte? Unterlag ich einer mir unbekannten Form der Magie, welche mich selbst in einem wachen Stadium zu erfassen verstand? Oder befand ich mich in einem Traum, der genau so ablief, wie ich mich verhielt und in dem ich scheinbar wach war? Nein, das konnte nicht sein, denn es begann zu regnen und ich war wirklich nass und zu frieren begann ich auch. Aber Beweise waren das nicht, denn derartiges kann man auch im Traum erleben.
Wieso hatte ich mich gedanklich und emotional so verlaufen und weshalb funktionierten meine Sinne nicht, wie ich es wollte? Weshalb hatte ich mich nicht unter Kontrolle. Wem oder Was entspreche ich?
Das Licht? Das Licht taumelte zwar immer noch in der Luft, näherte sich mir aber nicht mehr. Aus irgendeinem Grund fühlte ich mich von diesem Licht angezogen. Neugierig und unbedarft wie ein Kind, begab ich mich aus dem Haus, um mich dem Licht nähern zu können.
Natürlich hatte ich mir ein paar Schuhe und einen Morgenmantel angezogen. Das Licht verstärkte seine Wirkung und zog mich noch intensiver in seinen Bann. Ich bewegte mich wie hypnotisiert auf dieses Licht zu. Als ich näher kam bemerkte ich, dass das Licht grün, wunderschön grün gefärbt war und in sich rotierte. Es war gewissermaßen ein Lichtball. Instinktiv begann ich nach dem Licht zu greifen, da ich unmittelbar in dessen Nähe war. Das Licht ließ sich aber nicht fangen und bewegte sich von mir weg. Nicht schnell, aber so, dass auch ich mich in Bewegung setzen musste, wollte ich es nicht verlieren. Ich merkte, wie mich das Licht zu führen begann. Meine Schritte wurden merkwürdig leicht, was wohl daran lag, dass ich inzwischen auf dem Nebel umher schritt und ich mich eher schwebend fortbewegte. Meine Bewegungen empfand ich mühelos, aber sehr effizient, da das Licht ein recht beachtliches Tempo vorlegte.
Aber weshalb befand ich mich in einer derartigen Situation? Ich war dabei mich immer mehr von mir selbst zu entfernen. Warum? Hatte das etwas mit dem Licht zu tun? Natürlich, was denn sonst …
Jetzt besann ich mich und rief dem Licht zu: „Was soll das werden? Wenn ich nicht gleich erfahre, was mit mir passiert, dann …“
„Was wird dann geschehen?“ Entgegnete mir eine warmherzige und anmutige Stimme. Die Stimme war so wohlklingend, dass sie nur einer sehr faszinierenden Persönlichkeit gehören konnte. Im Nu waren meine aggressiven Intentionen wie weggeblasen. „Ich meine ja nur, dann gehe ich keinen Schritt mehr weiter. Ich habe ein Recht darauf zu erfahren, was mit mir passieren soll. Oder befinde ich mich in einem Traum-Kidnapping?“
Das Licht entgegnete: „Nein, das bist du nicht, aber ich muss mir bezüglich deiner absoluten Aufmerksamkeit sicher sein. Deshalb der kleine Ausflug. Wir dürften hier übrigens ungestört sein, weshalb ich dir jetzt sagen kann, woran mir gelegen ist.
Schon in absehbarer Zeit wirst du, Flieger, sowie dein Freund und Geschäftspartner Schmidling größeren Bewährungsproben ausgesetzt werden. Ihr werdet, wenn ihr weise agiert, ein Geheimnis entdecken und für euch zu nutzen wissen. Eventuell geht es auch etwas abenteuerlich zu. Auf alle Fälle werdet Ihr ein etwas anderes Leben zu meistern haben. Merke dir Flieger: Von ausschlaggebender Bedeutung werden eure ethisch-moralischen Kompetenzen sein… Vergiss das bitte nie!“

"Wer bin ich? Fabelhaft anders" im Kindle-Shop

Mehr über und von Andrea Spreitzer und Ludwig Sinzinger auf ihrer Website.

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9. Juli 2014

"Taten ohne Täter" von Friedrich Wulf

Theo Kremer unterrichtet Englisch an einer Schule, wo erwachsene Schüler ihr Abitur nachholen. Theo gehört zum üblichen Zoo von Lehrern und ist gesegnet mit einem robusten Ego. Doch dann widerfahren ihm Dinge, die er nicht erklären kann. Sind es Schüler, die ihm ans Leder wollen oder gar die Kollegen, fragt sich Theo. Dass Sex und das Internet dabei eine Rolle spielen, lässt sich nicht vermeiden.

"Taten ohne Täter" ist eine zunehmend bizarrer werdende Geschichte über einen selbstbewussten Mann, dessen Wahrnehmung immer paranoider wird und der zum Opfer wird von "Taten ohne Täter". Wer mit einem soliden Sinn für absurden Humor ausgestattet ist, der wird sicherlich häufig schmunzeln, wird wohl auch breit grinsen und auszuschließen ist auch nicht, dass er laut auflacht. Im Roman sind einige Stellen verlinkt, denn jüngere Leser wissen möglicherweise nicht, was Präsident Clinton mit Monica Lewinsky zu schaffen hatte.

Gleich lesen: "Taten ohne Täter" von Friedrich Wulf

Leseprobe:
„Ich weiß Theo, dir passiert so was nicht“, sagte Günther. „Nein, stimmt, mir ist so was noch nie passiert.“ Aber wundert mich nicht, wer nur die Peitsche schwingt, erzieht Kettenhunde und die bellen nicht nur, dachte ich, sagte jedoch: „Seltsam, vielen Studierenden hätte ich das zugetraut. Aber denen! Nein wirklich nicht. Das sind meine Musterleute“, schüttelte ich den Kopf. „Dass gerade die Cleversten dir so mitspielen. Ich meine, man kuckt doch vorher auf den Stuhl, auf den man sich setzen will.“
Entschuldigung, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Theo Kremer ist der Name und ich bin der Erzähler und das Opfer der Ereignisse.
Dass die Erlegnisse - Versprecher! Aber den lass ich mal stehen, denn er passt, ist gar kein schlechtes Wort: Erlegnisse. Dass die Erlebnisse an manchen Stellen alles andere als realistisch erscheinen mögen, liegt an den Umständen und an der Angst, die verrückt machen kann. Ja, Angst kann wirklich aberwitzige Spinnereien in den Kopf pflanzen, kann arge Dinge bewirken, auch erfinderisch machen. Angst kann verrückt und erfinderisch machen. Die Erfindungsgeschichte der Menschheit eine Geschichte der Angst? Hat schon mal jemand darüber geforscht? Du schwafelst ab, Theo! Günther hat längst noch nicht ausgemault.
„Theo, das sind Erwachsene, rechnest du damit, dass die sich wie Kindsköpfe gebärden?“ „Nein, du hast recht, tun sie ja auch nicht, bei mir jedenfalls tun sie das nicht.“
Ich war gespannt, wie er heute seine verbeamtete Aufsehermentalität verbrämen würde. „Du weißt, immer hart, aber gerecht, ist meine Maxime.“ Ja, manchmal muss man die Peitsche schwingen, aber man muss sie auch handhaben können wie ein Zirkusartist, sonst schlägt man sich am Ende selbst, dachte ich. „Ich bin immer für Geradlinigkeit gewesenen im Leben wie in der Schule, ich habe Briefe, sag ich dir, zig Briefe habe ich von Ehemaligen, die erst später gemerkt haben, dass ich sie richtig angepackt habe, dass ich ihnen den Schlendrian ausgetrieben habe, das schreiben sie mir, zig sage ich dir - zig.“ Sein Zeigefinger verprügelte die Luft. Kein Verbogener bemerkt, dass er einer ist, auch das ist ein Glück unserer ewigen Selbsttäuschung; der Paranoide ist zu beneiden, er braucht kein Kino. Aber ich sagte. „Ja, sie erfinden sich ihr Leben zurecht.“ „Genau sie finden sich im Leben zurecht, weil ich ihnen die Faxen ausgetrieben habe, sonst hätten sie das Abi niemals geschafft und jetzt studieren sie sogar Mathe. Aber die Bande!“ Günthers Daumen wies über seine rechte Schulter in die Richtung des Klassenraums. „Vor allen Dingen deine Vier, -schrecklich! Seit einigen Tagen haben sie eine neue Macke, malen ein Fragezeichen in die Luft und raunzen im Chor. ‚Bei Donner, Witz oder beim Segen.‘ Kannst du mir mal sagen, was der Unsinn soll?“ Es war ein schönes Stück Arbeit, nur im Kopf zu grinsen.
Natürlich wusste ich, was das bedeutete, schließlich, - den Unsinn hatte ich angeregt, sie hatten nur die ersten Zeilen abgewandelt.
„Jedenfalls die Bande will einfach nicht einsehen...“ „Was gut ist für Erwachsene“, ergänzte ich. „Was gut ist für den Erfolg in der Schule und im Leben, das ist kein Schlecken von kandierten Äpfeln.“ „Nein, nur der Gehärtete und scharf Geschliffene kommt an, wenn es hart auf hart zugeht und so geht es nun mal zu da draußen, nicht wahr, früh übt sich der harte Hund.“ „Ja, genau, ja so ungefähr, aber seit wann denkst du...?“ „Ach Günther, du weißt doch, was Clausewitz bei Waterloo gesagt hat, nicht wahr?“ „Nun, was hat er gesagt?“ „Wer seinen Gegner vernichten will, der muss ihn zuerst studieren.“ „Ja, ja ich weiß, aber partnerschaftliche Anbiederung liegt mir nicht.“ „Schon wieder falsch, nicht nur Peitsche und Zuckerbrot. Zeig Ihnen die Nützlichkeit deines Unterrichts, wer für sich einen Nutzen sieht, der - Mensch Günther, das liegt doch auf der Hand: Die müssen ihren Nutzen sehen.“ „Ich unterrichte Mathematik.“ „Ja, stimmt - da hast du dann wohl wirklich ein Problem.“

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7. Juli 2014

"Frau Berger wird unsichtbar" von Kerstin Michelsen

Eine zufällige Begegnung führt Frau Berger und David zusammen. Unwahrscheinlich eigentlich, dass die hochbetagte Dame und der Student sich etwas zu sagen hätten, und doch brauchen sie einander auf dem Weg in einen neuen Lebensabschnitt. Ganz nebenbei deckt David ein altes Familiengeheimnis auf …

Der Rückblick auf Frau Bergers langes Leben stellt sich wie ein Mosaik dar, an dem viele Menschen mitgewirkt haben. Die Teile passen nicht exakt zueinander und dennoch ergeben sie ein unverwechselbares Muster. Je nach dem Standpunkt des Betrachters ergibt sich ein anderes Bild, und so ist auch dieser Roman aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt.

Gleich lesen: "Frau Berger wird unsichtbar" von Kerstin Michelsen


Leseprobe:
Kann ich Ihnen helfen, fragte ich, und so lernte ich Frau Berger aus dem zweiten Stock kennen.
Die alte Dame stand allein im Treppenhaus. Sie trug einen Rock und einen etwas unförmigen Pullover, darüber ein gemustertes Seidentuch, das auf einer Seite über die Schulter gerutscht war. Die Handtasche baumelte vor ihrem Bauch wie bei einem Kindergartenkind die Frühstücksdose. Was mich jedoch am meisten berührte, mit einer Mischung aus Mitgefühl und Widerwillen, das waren ihre Pantoffeln, ausgetreten und schief.
Im Gesicht war die Frau ganz grau, oder vielleicht nicht grau, aber seltsam farblos, wie abgewischt. Später fiel mir auf, dass sie eigentlich immer so aussah, und ich brauchte eine Weile, bis ich begriff, woran das lag: Sie war nicht nur sehr alt, sie schminkte sich nicht mehr und sah darum immer gleich aus.
Wir waren uns an diesem Morgen bereits einmal begegnet, und zwar in umgekehrter Richtung, das fiel mir in diesem Augenblick ein. Es mochte vielleicht eineinhalb Stunden früher gewesen sein, als ich nach oben gewollt hatte und sie nach unten. Da war sie mir, nun ja, irgendwie normaler vorgekommen, aber vielleicht hatte ich auch nur nicht so genau hingesehen? Ich grüßte die anderen, zumeist älteren Hausbewohner, wenn ich sie im Hausflur traf – wie sich das eben gehörte, mehr aber auch nicht. Mein Interesse hielt sich in Grenzen.
Doch nun konnte ich an der alten Dame nicht einfach so vorübergehen, ohne wenigstens höflichkeitshalber meine Hilfe anzubieten. Es war etwas in der Art, wie sie so reglos dastand, das mich anhalten ließ, obwohl ich es doch an sich eilig hatte. Ich war auf dem Weg zu einem Treffen mit zwei Kommilitonen und schon spät dran. Sonntags sahen wir uns oft Videos an, manchmal den ganzen Tag. Das hatte sich so ergeben, nachdem wir festgestellt hatten, dass Kolja und Sven meine Leidenschaft für Kinofilme teilten.
An diesem Tag durchkreuzte die Begegnung mit der alten Nachbarin meine Pläne. Sie zögerte nur kurz, dann nahm sie das Angebot an und schon im nächsten Augenblick fragte ich mich, warum in aller Welt ich nicht den Mund gehalten hatte. Ich hatte mich schon viel länger als beabsichtigt aufgehalten. Eigentlich war ich nur nach Hause gekommen, um nach der auswärts verbrachten Nacht schnell zu duschen und mich umzuziehen. Dass es länger gedauert hatte, war Utes Schuld gewesen: Gern drängte sie mir diese Diskussionen über unsere Beziehung auf, vorzugsweise, wenn es überhaupt nicht passte, so wie an diesem Vormittag. Wo ich überhaupt gewesen wäre, hatte sie wissen wollen, als wir uns gleich nach meinem Eintreten im Flur getroffen hatten. Ich hätte darauf schwören können, dass sie auf meine Rückkehr gelauert hatte, vielleicht sogar die ganze Nacht?
Und dann hatte ich auch noch zwei Sekunden zu lange gebraucht, um überhaupt auf den Namen der Frau zu kommen, aus deren Bett ich vor weniger als einer Stunde aufgestanden war – mal abgesehen davon, dass es Ute natürlich überhaupt nichts anging. Sie wollte einfach nicht begreifen, dass die drei Male, oder vielleicht waren es auch vier gewesen, die wir miteinander im Bett gewesen waren, uns noch lange nicht zu einem Paar machten.
Wir waren eine Wohngemeinschaft, mehr nicht, daran änderte auch gelegentlicher Sex nichts. Von Liebe hatten wir kein einziges Mal gesprochen, auch sie nicht, im Gegenteil tat sie ja immer so wahnsinnig emanzipiert – aber nur, bis sie mich wieder einmal herumgekriegt hatte. Bisher hatte ich darauf verzichtet, diese Wahrheit allzu unverblümt auszusprechen, schon allein, um unser Verhältnis in den gemeinsamen vier Wänden nicht zu stören, das doch an sich gut gewesen war bis dahin. Aber an diesem Tag hatte es mir einfach gereicht. Ich war müde, da ich kaum Schlaf bekommen hatte, und so hatte ich entnervt geantwortet, dass Ute dann bitteschön aufhören sollte, nachts überfallartig in mein Zimmer einzudringen, in einem kurzen Nichts von einem Nachthemd, ohne was darunter, oder gleich ganz nackt, wenn sie mit der Unverbindlichkeit des Arrangements nicht zurechtkäme! Woraufhin sie mir vorgeworfen hatte, zynisch, kalt und herzlos zu sein; dies hallte noch in mir nach, nachdem ich die Tür zugeknallt hatte und die Treppe hinuntergestürmt war.
Und da hatte sie dann gestanden, die alte Dame.
Wenn Ute genau diese Worte nicht gesagt hätte, die ungewollt ein schlechtes Gewissen in mir ausgelöst hatten, obwohl es dafür an sich überhaupt keinen Grund gab – wäre ich dann auch stehen geblieben?
Es war ja an sich nichts passiert, da stand nur eine betagte Hausbewohnerin, der ich bei anderen Gelegenheiten schon flüchtig begegnet war. Sie war nicht gestürzt oder dergleichen, sie tat gar nichts als nur dazustehen. Dabei hatte ich in diesem Moment nicht einmal ihren Namen parat, obwohl ich ihn auf dem Klingelschild oder an den Briefkästen schon gelesen haben musste.
Zu spät, schon hing die fremde alte Frau erstaunlich schwer an meinem Arm, dabei war sie ein eher zartes, beinahe geschrumpft wirkendes Persönchen. Mit der anderen Hand klammerte sie sich am Treppengeländer fest. Der Aufstieg ging quälend langsam vonstatten. Ich hatte ja keine Ahnung gehabt, wie langsam man werden konnte, aber es ging scheinbar wirklich nicht schneller.
Im zweiten Stock angekommen kramte sie in der Tasche vor ihrem Bauch nach den Schlüsseln. Hannelore Berger stand auf dem kleinen Messingschild über der Klingel, da wusste ich es wieder.
Sie hantierte ungeschickt mit dem klirrenden Bund vor dem Schloss herum, also bot ich erneut meine Hilfe an, fand den richtigen Schlüssel und sperrte auf. Das Erste, was ich bemerkte, war der Geruch, der uns entgegenschlug: Fertigessen, ungemachtes Bett und seit Jahrhunderten nicht mehr gelüftet. Die alte Dame ließ meinen Arm los und trat über die Schwelle. Ich begann automatisch durch den Mund zu atmen, während ich Frau Berger in die muffige Wohnung folgte.

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4. Juli 2014

"Die Fremde in mir" von Hermann Scherm

Leas Zukunft scheint ein makellos blauer Frühlingshimmel. Sie steht am Beginn ihrer persönlichen Pretty-Woman-Geschichte. Nur wenige Monate später ist nichts mehr übrig von ihrem Glück. Verbrannte Erde. Horror. Aber Lea kennt den Schuldigen.

Und sie ist nicht der Typ, der schnell vergisst. »Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!« ist absolut nicht ihr Motto. Ihre Lösungen sind radikal. Dafür ist Lea bereit, alles aufzugeben – sogar ihre eigene Person.

Gleich lesen: "Die Fremde in mir" von Hermann Scherm






Leseprobe:
Liberté.
Ich hatte mir das Wort in Ornamentschrift auf den Nacken tätowieren lassen. In einem Fonts, der als Angel Tears bezeichnet wird und ursprünglich von Billy Argel entwickelt wurde, irgendeinem Typen im Internet, der an Schriftfonts herumbastelt. Wenn es stimmt, was der Tätowierer mir darüber erzählt hatte, während er seine Nadel nicht weit von meinem Ohr surren ließ. Wenn ich die Haare nach oben steckte, konnte jeder es sehen. ›Liberté‹, Freiheit. Das war der Begriff, unter dem meine Mission stand. Ich war entschlossen, meine Freiheit wieder zu erlangen. Dafür war ich zu allem bereit.
Es gibt Dinge im Leben, von denen kann man sich nur durch radikale Einschnitte befreien. Manchmal nur durch den eigenen Tod oder durch den Tod eines anderen. Es gibt Unkraut im Garten der Seele, das man mit all seinen Wurzeln ausreißen muss, damit man die Blüte der Freiheit erleben kann. Es gibt kein Vergessen. Die Dinge leben unter dem Modder von Verzweiflung und Unentschlossenheit weiter, mit dem man sie zu begraben versucht. Als wäre es der Humus, aus dem sie Tag für Tag ihre Nahrung saugen, bis sie stark genug sind, alles zu verschlingen.
Liberté. Dieses Tattoo würde mich immer daran erinnern, was ich mir geschworen hatte: Lass es nicht zu, dass er dir alles nimmt, dass er dir, nachdem er dir das Liebste genommen hat, auch noch deine Seele nimmt. Lass es nicht zu, dass er dich auslöscht. Lass nicht zu, dass das Gift, das er gesät hat, alles Leben in deinem Garten vernichtet, wie Agent Orange einst all die strahlenden Blüten und funkelnden Blätter des Dschungels in seinem Gifthauch verdorren ließ, bis alles Leben erloschen war und auf die tote Erde Vietnams fiel. Vergiss nie deine Mission. Aber vergiss dein Ego, solange du deiner Mission folgst. Denn das Ego ist ein Verräter, der sich in den Augen spiegelt. Mach dich frei von deinem Ego, damit niemand in deinen Augen lesen kann. Niemand.
»Welche Freiheit meinen Sie?«, fragte mich plötzlich ein Mann um die Fünfzig, Typ Geschäftsreisender aus der Medienbranche, der in der Reihe hinter mir im Flugzeug nach München saß. Und bevor ich antworten konnte, setzte er mit einem leicht spöttischen Unterton in der Stimme, den er anscheinend für flirttauglich hielt, hinzu: »Heißt das, dass Sie ihre Freiheit nicht aufgeben möchten oder, dass Sie wieder frei sein wollen?«
»Wenn Sie mir anbieten wollen, mir dabei zu helfen, dann sag ich schon mal, Nein, danke!«, konterte ich. Eine derart dämliche Anmache nervte mich gewaltig. Das war typisch deutsch. Noch bevor der Flieger abgehoben hatte, war ich wieder daheim. Verzweifelt blickte ich aus dem Fenster und versuchte noch einen Blick auf Rio de Janeiro zu erhaschen. Aber es gelang mir nicht. Im Flugzeug auf dem Rollfeld gehört einem die Stadt schon nicht mehr, die man verlässt.
»Tut mir leid, wenn ich zu indiskret war, das wollte ich nicht. Geht mich ja auch wirklich nichts an. Mein Name ist übrigens Stefan Berger, wenn ich mich vorstellen darf.« Der Typ ließ nicht locker.
»Sandra Rösner«, brummte ich abweisend, »und ich wäre Ihnen dankbar, wenn wir es dabei bewenden lassen könnten. Ich möchte mich nicht unterhalten.« Damit beendete ich die Konversation und griff zu dem Buch, das ich mir für den Flug besorgt hatte. Die Abfuhr war ein Volltreffer. Ich konnte noch ein paar Minuten lang spüren, wie »Stefan« hinter mir schlucken musste, um sie zu verdauen. Aber er ließ mich für den Rest des Flugs in Ruhe.
Sandra Rösner. Der neue Name, der in dem druckfrischen Reisepass in meiner Handtasche eingetragen war, hörte sich noch fremd für mich an. Ich dachte immer noch als Lea Jenner. So hatte ich in meinem früheren Leben geheißen, Lea Jenner, geborene Weber. Und so fühlte ich immer noch. Der Pass war ausgezeichnete Arbeit. Er war das kleine Vermögen wert, das ich dafür ausgegeben hatte. Aber jetzt kam es darauf an, dass ich Lea Jenner für immer zurückließ und zu Sandra Rösner wurde. Als das Flugzeug abhob und Höhe gewann, stellte ich mir vor, dass Lea zurückblieb, sich auflöste wie Dunst über dem Meer und ihre Partikel sich im Getriebe der Millionenstadt verloren, bis die Nachweisgrenze unterschritten war. Bei der Landung in München würde es keine Lea mehr geben. Nur noch Sandra würde von Bord gehen, problemlos die Passkontrolle passieren und in ein neues Leben abtauchen, bereit für ihre Mission.

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