31. Juli 2012

'Durchkreuzte Pläne' von Evelyn Sperber-Hummel

Sieben Kurzgeschichten über aufgewühlte Gefühle. Eine Frau gerät in Panik, sie ist nachts allein im Haus, die Balkontür quietscht, Schritte in der oberen Etage. Ein Spieler verzockt sein Leben. Im Schatten des Mondes lauert ein Serienmörder. Ein Horoskop führt auf die Spur der Wahrheit. Jemand wird Zeuge eines Mordes und will fliehen. Um solche Themen ranken sich die Geschichten in diesem Buch. Und immer sind Liebe und Hass, Sucht und Leidenschaft im Spiel.

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Leseprobe aus "Nur ein Techtelmechtel":
Nicht schon wieder, dachte Jasper, als er abends von der Arbeit kam. Ute saß am Küchentisch, ihr Gesicht war bleich und auf den Wangenknochen glühten die verräterischen Flecken. Sie glühten immer, wenn etwas Schreckliches ins Haus stand. „Nanu“, sagte er, „wieso bist du noch hier? Es ist Mittwoch, fährst du nicht zu deinen Astrologen? Ich habe heute Morgen extra die Straßenbahn genommen und dir das Auto da gelassen.“
Sie antwortete nicht.
„Mal wieder was Unangenehmes im Anmarsch?“ Er warf einen Blick auf das Horoskop, das vor ihr lag und den Vermerk ‚Eilt sehr!’ trug. Sie schob es ihm wortlos hin. Eine Stelle hatte sie rot markiert. Er las: Am 27. September dieses Jahres wird Ihnen etwas Furchtbares begegnen. „Wann ist das gekommen?“
„Vorhin. Ein Bote hat es gebracht.“
Er warf das Blatt auf den Tisch. Zorn stieg in ihm auf. Es war lächerlich, wie sehr Ute an die Sterne glaubte. Eine Frau von 38 Jahren! Vor sechs Monaten war sie einem astrologischen Zirkel beigetreten. Ein Experte erstellte den Mitgliedern Horoskope, die er ihnen in unregelmäßigen Abständen schickte. Und nun wurde ihr für diesen Tag kurzfristig etwas Schreckliches prophezeit. Was sollte schon passieren? „Ist doch alles Quatsch. Die Sterne können nicht in die Zukunft sehen.“ Er stand auf und holte sich eine Flasche Bier aus dem Kühlschrank. „Und dein Zwillingsbruder, was sagt Dieter zu der bedrohlichen Vorhersage? Oder ist ihm diesmal etwas anderes prophezeit worden als dir?“
„Dieter ist tot.“
In die Stille, die sich in der Küche ausbreitete, dröhnte das laute Summen des Kühlschranks. Jasper setzte sich hin. Er wollte etwas sagen, ihm fielen keine passenden Worte ein. Es war wie vor ein paar Wochen, als Ute ihm auf den Kopf sein Verhältnis mit einer seiner Mitarbeiterinnen zugesagt hatte. Du betrügst mich, hatte sie gesagt und wollte wissen, wer diese Frau war. Auch damals brannten auf ihren Wangen rote Flecke. Er hatte ihr den Namen nicht genannt. Wozu? Ein Techtelmechtel war’s gewesen, nichts weiter. Er hatte es längst beendet. „Woran ist er gestorben?“, fragte er.
„In seinem Auto war eine Bombe.“ Ute sprach leise und stockend.
Jaspers Kehle wurde trocken. Mechanisch öffnete er die Bierflasche, trank keinen Schluck, saß stumm da.
Eine Detonation zerfetzte die Stille. Jasper sprang auf und rannte zum Fenster. Das Auto, das er morgens aus der Garage geholt und vors Haus gestellt hatte, war geborsten. Ute trat neben ihn. Aus ihrem Gesicht war jede Farbe gewichen. Keine roten Flecken, nur noch aschgraue fahle Haut. Sie stand da und starrte auf das Autowrack. Er wollte fluchen, das Entsetzen, das sich in ihm festkrallte, hinausbrüllen, beherrschte sich mühsam, seine Hände zitterten, als er Ute den Arm um die Schultern legte. „Komm“, sagte er und seine Stimme krächzte. Sie ließ sich ins Wohnzimmer führen, sanft legte er sie aufs Sofa, schob ihr ein Kissen unter den Kopf, deckte sie mit einer Wolldecke zu und wischte ihr die Schweißperlen von der eiskalten Stirn. „Ich rufe die Polizei.“ Er ging zum Telefon.
In Utes Kopf rotierten die Gedanken. Am 27. September wird Ihnen etwas Furchtbares begegnen. Der gleiche Satz hatte in Dieters Horoskop gestanden. Jetzt war er tot. Und ich wäre auch tot, wenn ich... Wer wusste, dass ich heute zu unserem Zirkel fahren wollte? Jasper hat mir das Auto vors Haus gestellt. Der Gedanke, der sich durch ihren Kopf quälte, schnürte ihr die Kehle zu. Jasper. Er wusste, dass ich heute...
Er kam zurück, beugte sich über sie und ergriff ihre Hand. Sie zog sie ihm weg, schlug die Decke zurück und sprang auf. „Rühr mich nicht an“, flüsterte sie und wich vor ihm zurück.
„Ute!“ Er wollte sie in die Arme nehmen. Sie stieß ihn von sich. „Du warst es!“ Sie sprach so leise, als habe sie Angst, jemand Fremdes könnte hinter dieses ungeheuerliche Geheimnis kommen. „Du wolltest mich los sein. Wegen dieser Frau, von wegen Techtelmechtel und längst beendet.“ Ihr Atem ging zitternd, stoßweise.
„Du bist ja verrückt.“ Er ging auf sie zu.
„Geh weg!“ Kein Flüstern mehr, sie kreischte, im kalkweißen Clownsgesicht leuchteten runde rote Flecke. Sie rannte aus der Küche in den Flur. Jasper folgte ihr. Sie riss die Tür zum Gästezimmer auf, stürzte hinein. Er rüttelte an der Klinke. Ute hatte sich eingeschlossen.
Es klingelte an der Haustür. Er öffnete, zwei Polizeibeamte, ein Mann und eine Frau, standen draußen. „Sie ist im Gästezimmer“, sagte er. Wieso sagte er das? Völlig zusammenhanglos. Die waren doch wegen des Autos gekommen, nicht wegen seiner Frau.
„Kriminalkommissarin Hanne Merk“, stellte die Frau sich vor und zeigte ihren Ausweis. Sie war zierlich, einen Kopf kleiner als er, vielleicht Mitte vierzig, „das ist mein Kollege Kommissar Behrens.“ Behrens war wuchtig, breitschultrig und wirkte neben seiner Kollegin wie ein Koloss. „Die Spurensicherung kümmert sich schon um das Auto“, sagte er.
Jasper ließ sie eintreten.
„Im Gästezimmer? Wer ist im Gästezimmer?“, fragte Hanne Merk.
„Meine Frau, sie tut sich was an, ist völlig durchgedreht.“
Aus dem Gästezimmer drangen stöhnende Laute.

"Durchkreuzte Pläne" im Kindle-Shop

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30. Juli 2012

'Am Meer, damals' von Norbert Schulz

Ein Karibik-Roman aus vergangener Zeit über Alte und Junge, über Mann und Frau, über Träume und Wirklichkeit, über Gewinn und Verlust. Ein Tisch, zwei Rum und ein Manuskript: British Honduras 1952. Die Insel Caye Caulker im Belize Barrier Reef ist Pablos Welt. Hier trifft er Grandpa und Marilyn, erfährt Wahrheiten und Lebenslügen, träumt und taucht ein in die großen Gefühle. Pablo erlebt die ewige Sehnsucht, wird verstört und betört und beim Scheitern der ersten Liebe auch zerstört. Die Geschichte spiegelt das Spiel von Mann und Frau im Meer der Gefühle.

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Leseprobe:
Schon eine Ewigkeit dachte ich an Großvater, das Meer, die Fische, seine Geschichten. Mir kam der Gedanke, dass er einen Garten anlegen sollte, um das harte Leben auf See gegen ein sicheres Dasein an Land einzutauschen.

„Gemüse pflanzen“, ich schüttelte den Kopf, „am besten weg von der Insel“, da nickte ich zustimmend. Die Worte sprach ich zu den Wellen, als wären sie Großvater. Manchmal bin ich, anstatt am Strand zu sitzen, zu seinem kleinen Holzhaus gegangen. Wie immer war die Tür nur angelehnt. Ich trat ein und hockte mich auf den Holzboden. Der war voller Sand, weil Großvater nie ausfegte. Wenn es mir zu viel wurde und der Wind ihn aufwirbelte, nahm ich einen Palmwedel und fegte den Sand hinaus.

So saß ich am Boden vor dem kleinen Tisch mit den alten Zeitschriften. Viele Sportzeitschriften lagen da und Magazine, die Life und Look hießen. Immer ließ ich die neuesten Sporthefte oben liegen, weil Großvater sie las. Sie interessierten mich nicht, denn ich meinte, Basketball und Baseball muss man spielen und nicht lesen. Auch für die Hefte mit Männern auf den Titelseiten hatte ich kein Interesse. Ich kannte zwar James Stewart, Burt Lancaster und Gregory Peck bei Namen und wusste, wie die aussahen. Doch diese Filmstars waren nur Statisten in meiner Welt.

Die interessanten Hefte lagen in der Mitte. Es waren die mit den schönsten Titelbildern. So lernte ich Rita Hayworth kennen und bewundern. Ich kannte ihr Lächeln, den leicht geöffneten Mund, ihre Augen, die aufblickten. Vor allem hat mir ihr Kleid gefallen, denn Rita gewährte mir einen Blick zu ihrem Herzen. Ein Schleier der Ahnung umhüllte fortan meine Seele, wohin mich der Weg meiner Sehnsucht führen mochte. Noch mehr hatte mich das Cover von Elizabeth Taylor zum Träumen inspiriert, war sie doch nur wenige Jahre älter als ich. Elizabeth entflammte mich. Auf ewig und immer, glaubte ich. Schon nach ein paar Wochen sah ich sie mehr als Schwester, dann, mehrere Monate später, als entfernte Cousine. Schließlich vergaß ich sie fast ganz.

Vollends verrückt wurde ich jedoch bei einer Blonden, deren Foto ich einige Monate später entdeckte, als Großvater mit einem neuen Stapel der bunten Hefte aus Belize Town kam. Auf dem Titelblatt waren die schönsten dreizehn Buchstaben gedruckt, die ich je las. Dreizehn Lettern in einer einzigartigen Kombination, die ein Geheimnis offenbarten: Marilyn Monroe. Behutsam streichelte mein Zeigefinger jedes einzelne Zeichen nach. Besonders das M hatte es mir angetan. Immer wieder strich mein Finger über die Konturen, bevor er sich auf das Bild vorwagte und Linien und Kurven nachmalte. Knospen, die das Bild verhüllte, sah ich sprießen.

Im Kindle-Shop: Am Meer, damals

Mehr Informationen über den Autor Norbert Schulz und seine Veröffentlichungen auf seiner Website.

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26. Juli 2012

'Hammfiction' von Renate Hupfeld

Elf Geschichten aus Hamm oder einem anderen Ort mit Kirchturm, Bahnhof und Fußgängerzone: Sie leben in der Zukunft und reisen in die Vergangenheit, verarbeiten den Novemberblues auf dem Friedhof und den Vorweihnachtsstress in der Einkaufmeile, hetzen durch die Bahnhofshalle und begegnen seltsamen Wesen.

Wer hinter die Fassaden schaut, ist überrascht, erfreut, betroffen, irritiert oder schockiert. Außerdem ist es durchaus interessant zu erfahren, wie sieben Tiere auf den Marktplatz gekommen sind und dass man im Jahre 2048 am Stadtsee auf der Uferpromenade bummeln und im Seaside Center für eine ganz besondere Reise einchecken kann.

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Leseprobe:
Marika rannte zur Haustür und drückte auf den Klingelknopf, die große Schwester ging hinterher. Sie stellten sich auf Zehenspitzen, um zwischen Fensterrahmen und Türkranz einen Blick in das Haus zu erhaschen. Alles sah noch genauso aus wie vorher, links die Treppe, rechts der Garderobenschrank, geradeaus die Tür zum Wohnzimmer.
Er kam heraus und öffnete.
„Na ihr zwei Hübschen? Was gibt’s denn?“
„Dürfen wir mal in Jans Zimmer?“, fragte die Kleine.
„Euer Freund wohnt nicht mehr hier. Wisst ihr das denn gar nicht?“
„Doch, er ist mit seiner Mama ausgezogen. Aber wir wollen so gerne die Fische sehen.“
„Ach so! Ja, das könnt ihr. Ihr habt Glück, es ist gerade Fütterungszeit.“
Sie gingen hinter dem Mann die Treppe hoch in Jans Zimmer. Ganz anders sah das jetzt aus. Kahle weiße Wände. In seiner Bettecke stand ein Sofa und gegenüber am Fenster das Aquarium.
„Mir gefallen die mit den roten Flecken am besten“, meinte Marika. „Sind das auch Goldfische?“
„Eine besondere Züchtung“, erklärte Jans Vater.
„So schöne hab ich noch nie gesehen.“
„Dann schaut euch erst mal diese Exoten hier an.“ Er zeigte auf ein größeres Aquarium daneben. „Das sind die richtigen Schönheiten. Normalerweise leben sie im Amazonas, Südamerika, wisst ihr doch.“
Zögernd stellten sich die beiden Mädchen vor die Scheibe des anderen Beckens. Zwei große Fische schwammen darin, dunkel gesprenkelt, fast schwarz, mit roter Bauchseite. Gefährlich sahen sie aus, so lauernd die Augen und besonders ihre Mäuler mit den vorstehenden Unterkiefern.
„Warum sind es nur zwei?“, fragte Marika.
„Es waren einmal sehr viele, die hier sind übrig geblieben“, antwortete der Mann. „Schaut mal, wie sie schwimmen, besonders der große, so frei, so elegant. Wunderbar, findet ihr nicht?“
„Aber warum sind es nur noch zwei?“
„Ach so, ja. Das kennt ihr doch. Die Großen fressen die Kleinen. So ist das in der Natur.“
„Und warum ist der eine kleiner?“
„Fast schon ein Wunder, dass der noch da ist, muss wohl ein Überlebenskünstler sein.“
„Wie sie ihre Mäuler öffnen, als wollten sie jeden Moment etwas verschlingen“, sagte Vanessa. „Und Zähne haben sie auch, ein richtiges Haifischgebiss.“
„Warten sie jetzt auf ihr Futter?“, wollte Marika wissen.
„Ja, ja.“
„Was fressen sie denn?“
„Sagte ich doch, Lebendfutter.“
„Lebendiges Futter?“
„Sozusagen.“ Er nahm einen Käscher zur Hand.
„Nein, bitte nicht!“, flehte die Ältere, als er das Netz in das Goldfischbecken tauchte.
„Halt, das dürfen Sie nicht!“, schrie die Kleine.
Doch Marikas Protest rührte den Mann ebenso wenig wie das Bitten der Schwester. Er jagte hinter einem der Rotgefleckten her und fing ihn ein. Dann hob er das Netz heraus, hielt es hoch und schaute zu, wie der Fisch sich wand.
„Tun sie ihn schnell wieder rein, bitte.“ Vanessa griff nach dem Stiel und versuchte, ihm den Käscher aus der Hand zu nehmen. Er lachte und hob ihn in eine unerreichbare Höhe.
Als der Fisch nur noch leicht zuckte, ließ er ihn in das Monsterbecken gleiten.
„Es kann ein paar Sekunden dauern, bis sie ihre Beute entdecken, sie sehen nämlich nicht so gut“, erklärte er.
„Hoffentlich entdecken sie ihn nicht.“
„Keine Chance. Die roten Flecken haben eine gewisse Signalwirkung, ähnlich wie Blutstropfen. Raubfische werden von der Beute angelockt, wenn ihr versteht.“
Das wollten sie gar nicht verstehen. Sie wollten nur dem armen Gefangenen helfen. Könnten sie ihn doch von dem gefährlichen Feind wegtreiben!
„Was glaubt ihr denn, wie es im Amazonas zur Sache geht?“
Er legte den Käscher zur Seite, setzte sich auf das Sofa und beobachtete, was passierte. Der größere der beiden Räuber näherte sich langsam dem Gefleckten, mit gierig aufgesperrtem Rachen.
„Seht ihr die Zackenreihe? Wie spitz sie sind, die Beißerchen, und so scharf. Schaut genau hin. Seht ihr, was er macht?“
„Los! Schwimm weg!“, kreischte Marika, als der Große den Kleinen fast berührte.
„Schneller!“, rief Vanessa.
Hatte er das gehört? Er bewegte sich und ergriff plötzlich die Flucht. Das schwarze Monster jagte hinterher. Eine wilde Verfolgung war im Gange, durch das Pflanzengewirr und zwischen Steinen, immer rundherum. 
"Hammfiction" im Kindle-Shop

Mehr über die Autorin Renate Hupfeld und ihre Veröffentlichungen auf ihrer Homepage.

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23. Juli 2012

'Das 7. Buch der Magie' von Manfred Rehor

Ein Fantasy-Roman: Erst, als er im Kerker angekettet wieder zu sich kommt, begreift der sechzehnjährige Sebastian, was vorgefallen ist: Seine Heimatstadt Erfenberg ist durch Magie aus der Gegenwart ins Mittelalter versetzt worden! Elmor, ein ehemaliger Mönch, übt eine Schreckensherrschaft über die Stadt aus. Er scheint unbesiegbar, doch Sebastian und seine Freundin Marita entdecken, woher Elmors Macht stammt: Er besitzt das lange verschollene „7. Buch der Magie“.

Mit Hilfe von Verbündeten aus verschiedenen Zeitaltern nehmen Sebastian und Marita den Kampf gegen Elmor auf. Nur, wenn sie Elmor besiegen und das „7. Buch der Magie“ vernichten, können sie zurückkehren in die Gegenwart.

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Leseprobe:
Der letzte Tag war gekommen, die sieben Bücher lagen bereit. Elmor griff nach dem ersten Band. Das Buch war in blasses, fleckiges Leder gebunden, von den Jahrhunderten glatt gerieben. Es trug weder den Namen seines Autors noch einen Titel. Nur die Registriernummer einer Klosterbibliothek war aufgeklebt, geschrieben zu einer Zeit, als man noch Hexen verbrannte.
Ein moderiger Geruch stieg Elmor in die Nase, als er das Buch aufschlug. Er liebte diesen Duft, der eine Ahnung uralter Geheimnisse in sich barg. Die Seiten waren unregelmäßig bedruckt, in kuriosen Lettern, die manchmal schräg in der Zeile standen, als hätte ein Kind mit einem Spielzeugdruckkasten experimentiert. Man war mit der Technik noch nicht sehr weit gewesen, als dieser Band hergestellt wurde. Der erste Buchstabe jedes Kapitels war kunstvoll zu einem kleinen Bild ausgearbeitet: Teufelsköpfe und holde Maiden, Drachen und Ritter, alle umschlungen von giftigem Efeu.
Bibliothekare, Scholare, Klosterbrüder und wissenschaftliche Laien hatten dieses Buch in Händen gehalten und es als bedeutungslose Kuriosität wieder beiseitegelegt. Fünfhundert Jahre lang wurde es verkannt. Niemand machte sich die Mühe, eine geheime Bedeutung hinter seinem belanglosen Inhalt zu suchen. Erst er, Elmor Weiß, verstand die Botschaft und war nun bereit, den Lauf der Welt zu ändern. Mit den Fingerspitzen strich er über die Seiten. Er konnte die einzelnen Lettern spüren, mit solcher Wucht waren sie ins Pergament geprägt worden.
Nach einem Blick auf die Uhr stand Elmor auf. Es war Mittag. Seine Arbeit als Leiter der Stadtbücherei war beendet. Für heute und für immerdar. Er klemmte sich den Bücherstapel unter den Arm und ging zur Tür. Mit der freien Hand nestelte er den Schlüssel aus seiner Hosentasche. Da wurde die Schwingtür aufgestoßen und knallte gegen seinen Ellbogen. Mit einem Schmerzensschrei ließ er die Bücher fallen.
Ein Jugendlicher kam herein. Elmor kannte ihn: Sein Name war Sebastian und er gehörte zu denen, die viel lasen, oft Bücher von auswärts bestellten und immer Sonderwünsche hatten. Nun, bald würde es solche Störenfriede nicht mehr geben. Sie waren unerwünscht in Elmors neuer Welt.
„Verschwinde!“, herrschte Elmor ihn an. „Geschlossen!“
„Entschuldigung, war keine Absicht.“ Der Junge bückte sich, um eines der Bücher aufzuheben. „Hey, die sehen uralt aus.“
„Finger weg! Rühr sie nicht an.“ Elmor stieß ihn beiseite und stellte sich breitbeinig über die Bücher. Das war ein Schatz, den er mit seinem Leben zu verteidigen bereit war.
Jetzt kam auch noch ein Mädchen herein und fing an, mit dem Jungen zu streiten.
„Hinaus!“, brüllte Elmor mit einer Wut, die sein Gesicht rot anlaufen ließ.
„Schon gut“, beschwichtigte ihn der Junge. „Kein Grund, sich aufzuregen. Wir gehen ja.“
Elmor bückte sich und hob die Bücher auf. Diesmal klappte es mit dem Abschließen der Stadtbücherei. An der Bushaltestelle warf er die Schlüssel der Bücherei in einen Abfallbehälter und spuckte hinterher.

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9. Juli 2012

'Kinder erzählen' von Sigrid Wohlgemuth

Drei kleine Geschichten: Theo zieht mit seinen Eltern von Portugal nach Köln, in eine anscheinend relativ ruhige Gegend. Manolis, der mit seinen Eltern aus Kreta stammt sucht einen neuen Freund. Daniel! Doch der verschanzt sich hinter heruntergelassenen Rollos. Eric hat eine ganz besondere Überraschung für seine Mutter.

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Leseprobe aus "Das falsche Wort":
Geboren wurde ich, Theo Berger, in Deutschland. Als ich gerade sechs Monate alt war, zogen meine Eltern mit mir nach Portugal, an die Algarve. Mein Vater hatte dort als Ingenieur einen lohnenden Auftrag erhalten, der für sechs Jahre im Voraus geplant war. Wir lebten in einer parkähnlichen Häuserzeile in der Nähe des Meeres. Im Vorschulalter besuchte ich eine deutschsprachige Schule. Vaters Job zog sich ein Jahr länger hin als geplant. Ich erinnere mich gerne an meinen Aufenthalt in diesem fernen Land. Die Sonne begrüßte uns an vielen Tagen des Jahres. Die Einheimischen waren gastfreundlich und ich fand, als ich heranwuchs, schnell viele Freunde, mit denen ich täglich auf Entdeckungstour am Meer umherstreifte. Wir wussten, der Tag rückte näher und wir würden nach Deutschland übersiedeln.
Meine Eltern suchten per Internet ein kleines Haus in der Kölner Gegend für uns, weil der nächste Auftrag in Köln sein sollte. Wir erhielten einige Exposé übersandt und meine Eltern studierten sie jeden Abend. Nach längerer Zeit entschieden sie sich für ein Haus am Stadtrand. Die Wohngegend wurde als relativ ruhig beschrieben.
Der Rhein fließt nicht weit davon entfernt. Das Foto, das uns übersandt wurde, zeigte ein zweistöckiges Haus mit einer schönen Außenfassade und einem großzügigen Garten. Obwohl es sich um eine Aufnahme handelte, die mit Weitwinkelobjektiv aufgenommen war, sah man jenseits des braunen Holzzauns, der das Grundstück einschloss, keine anliegenden Häuser. Das sagte meinen Eltern am meisten zu. Der Grundstücksvermittler teilte uns mit, dass dieses Haus einem älteren Ehepaar gehört habe, das vor ein paar Jahren eine Wohnung im Altenheim bezogen hat. Sie hatten den Preis damals sehr niedrig angesetzt.
Meine Eltern erwarben das Haus am Stadtrand. Ich freute mich schon darauf, meine Geburtsheimat kennenzulernen, zumal meine Großeltern nur zweihundert Kilometer von Köln entfernt wohnten. Vor den Sommerferien packten wir unser Hab und Gut ein und eine Speditionsfirma transportierte es nach Köln. Wir reisten mit dem Flugzeug und landeten auf dem Frankfurter Flughafen. Meine Großeltern beiderseits erwarteten uns freudig am Ausgang. Am folgenden Tag hatten meine Eltern einen Termin mit dem Makler vereinbart und wir sollten unser neues Heim besichtigen können. Nicht nur ich, sondern auch meine Eltern waren ganz schön aufgeregt.

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5. Juli 2012

'Angst im Paradies' von Cathy McAllister

Thriller: Sie träumte von der Liebe im paradisischen Afrika, doch sie geriet in die Hölle auf Erden. Julia, endlich geschieden von ihrem dominanten und prominenten Ex-Mann, macht mit einer Freundin Ferien in Gambia. Dort lernt sie den Gambier Modou kennen und verliebt sich bis über beide Ohren.

Entgegen den Warnungen ihrer Freundin, bleibt Julia in Gambia und heiratet Modou Hals über Kopf. Sie eröffnen mit ihrem Geld ein Restaurant und Julia schwebt auf rosa Wolken. Doch schon bald zeigt sich, dass ihr liebevoller Ehemann noch ganz andere Seiten an sich hat und sie erlebt die Hölle auf Erden aus der es kein Entrinnen zu geben scheint.

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Leseprobe:
Man konnte es beim besten Willen nicht Schnee nennen, was da aus dem grauen, dicht verhangenen Londoner Himmel auf mich hinabfiel. Ein nasses, pappiges Etwas, das meine dünne Jacke im Nu durchfeuchtete und mich frösteln ließ. Echtes Novemberwetter! Den Kopf gesenkt haltend, legte ich einen Schritt zu. Musste es auch ausgerechnet heute so ein Mistwetter sein? Als ich losgegangen war, hatte es noch nicht geschneit, doch ich hätte ahnen können, was der graue Himmel zu bedeuten hatte. Alles wäre nur halb so schlimm, hätte ich meinen alten Wollmantel anstelle der dünnen, figurbetonenden Jacke angezogen. Doch ich wollte besonders gut aussehen, wenn ich im Gerichtssaal auf meinen Noch-Ehemann Mike traf. Er sollte sehen, wie blendend es mir ohne ihn ging.
Nach neun Jahren Ehehölle hatte ich das Trennungsjahr ziemlich zermürbend erlebt. Noch immer war ich nicht frei, war ich rechtlich an diesen Mann gebunden, der ein ganzes Jahrzehnt meines Lebens bestimmt hatte. Heute war der Tag, an dem ich endlich die letzte Fessel lösen würde, die mich noch an Mike band. Auch wollte ich meinen deutschen Mädchennamen wieder annehmen. Aus Mrs. Brown, der Frau des weltbekannten Fotografen Mike Brown, würde wieder Julia Weber werden, ein einfaches Mädchen aus einer deutschen Kleinstadt. Auf die High Society mit ihren falschen Freundlichkeiten und dem ständigen Wetteifern um Ansehen und Wohlstand konnte ich gut verzichten. Ich hatte mir nie viel aus diesen sogenannten Freunden gemacht und war auch von ihnen niemals wirklich akzeptiert worden.

Es war nicht mehr weit bis zum Gerichtsgebäude, doch meine Frisur war nun endgültig ruiniert. Die sorgsam frisierten blonden Locken hingen glatt herunter und klebten feucht an meinem Gesicht. Ich fragte mich zum wiederholten Mal, warum ich mir kein Taxi bestellt hatte? Dass ausgerechnet heute den ganzen Weg von meinem Haus bis zum Gericht nicht ein einziges verdammtes freies Taxi zu bekommen gewesen war, war wirklich zu ärgerlich, wenn auch typisch für mein Leben, indem nie etwas glattzugehen schien. Ich fluchte leise, als eine nasse Flocke auf meinen Wimpern landete und das verlaufende Maskara in meinem Auge brannte. Hätte ich bloß wasserfeste Wimperntusche benutzt aber ich musste ja unbedingt heute diese Wimpern verlängernde Maskara ausprobieren! Dieser Tag schien sich zu einem Desaster zu entwickeln. Ich konnte nur hoffen, dass wenigstens bei der Verhandlung alles glattgehen würde. Ich war so schon nervös genug.
„Verfluchtes Dreckswetter! So eine verdammte Sauerei! Ich werde aussehen, als hätte ich geheult“, schimpfte ich halblaut vor mich hin.
Die Kälte kroch mir lähmend in sämtliche Knochen. Wie sehr ich diese Jahreszeit hasste! Wenn es denn wenigstens anständiger Schnee wäre, aber so etwas gab es in England eher selten, erst recht nicht in London. Wenn ich doch nur irgendwo leben würde, wo jetzt die Sonne schien, am besten das ganze Jahr über. Nein, ich musste mir ja ausgerechnet einen verdammten Engländer als Mann aussuchen! Ein Spanier wäre besser gewesen und vermutlich hätte ich mir dann auch neun Jahre Tyrannei gespart. Aber was nützte es, dieses was-wäre-wenn-Spiel? Es war, wie es war! Ich hatte aus dieser Geschichte gelernt; so hoffte ich wenigstens; und würde den gleichen Fehler nicht noch einmal begehen.

Im Kindle-Shop: Angst im Paradies

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2. Juli 2012

'Friesensturm' von Birgit Böckli

Auf Spiekeroog treibt ein Mörder sein Unwesen. Die Insulaner schließen von vornherein aus, dass der Täter einer von ihnen ist. Diese eingeschworene Haltung der Friesen erschwert die Ermittlungen der beiden Hauptstadtkommissare Thomas Berg und Freda Althus erheblich. Und der Sturm, der sich vor der Insel zusammenbraut, wird bald alle Spuren verwischen ...

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Leseprobe:
Die Kälte stach sie wie mit eisigen Nadeln. Sie hatte keine Lust gehabt, weiter unter dem Vordach zu warten, wo jeder Idiot sie anstarren konnte, also hatte sie sich an den Rand des Parkplatzes zurückgezogen.
Jetzt fing es auch noch an zu regnen.
Punkt elf, hatte Thomas gesagt, keine Minute später. Inzwischen war es beinahe halb eins, und ihr Bruder war noch immer nicht aufgetaucht.
Mit zittrigen Fingern suchte Kerstin in ihrer Jackentasche nach dem Handy, um einen letzten Versuch zu starten, als die Tür der Disco aufschwang und ihr das Wummern der Bässe in den Magen fuhr. Ein junger Mann in einer leuchtend grünen Jacke kam die Stufen herunter.
Kerstin spürte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen. Die paar Autos, die noch übrig waren, konnte sie an einer Hand abzählen. In einer halben Stunde würde der Laden schließen, dann wäre sie ganz alleine hier draußen …
Aus dem Augenwinkel bemerkte sie, wie der Mann auf sie zukam.
»Wie bitte?«
»Ich hab dich gefragt, ob du mitfahren willst. Oder stehst du gern hier im Regen herum?«
Einen Moment lang starrte Kerstin ihn unentschlossen an. Sie war noch niemals zu einem Fremden in den Wagen gestiegen. Zu viele Horrorgeschichten hatte man ihr im Laufe ihres Lebens erzählt. Aber sollte sie vielleicht hier draußen übernachten?
Als sie nicht antwortete, zuckte er gleichgültig die Schultern. »Dann eben nicht.«
Erst das Aufheulen des Motors riss Kerstin aus ihrer Lethargie. Mit wenigen Schritten hatte sie den Toyota erreicht.
Im Wageninneren roch es nach kaltem Rauch. Der Typ, der sich noch immer nicht vorgestellt hatte, angelte im Fußraum nach einer Dose Bier.
»Gehst du noch zur Schule?«, fragte er und fummelte am Radio herum, während sie das Industriegebiet hinter sich ließen. »Wie alt bist du überhaupt?«
Kerstin versuchte, entspannter auszusehen, als sie sich fühlte. »Achtzehn«, log sie.
Er lachte schallend, trank einen Schluck Bier und klemmte sich die Dose zwischen die Oberschenkel. »Du bist niedlich, wenn du lügst, weißt du das?«
Irgendetwas in seinem Blick hatte sich verändert. Kerstin spürte, wie sich vor lauter Angst ihr Magen zusammenzog. Sie musste sich zusammenreißen, durfte sich ihre Furcht auf keinen Fall anmerken lassen. Während sie krampfhaft den Seitenstreifen im Auge behielt, nahm sie von der Fahrerseite eine Bewegung wahr. Dann spürte sie seine Hand auf ihrem Knie.
»Lass das.« Ihre Stimme klang viel zu leise.
Seine Finger spielten am Saum ihres Rockes.
Panik erfasste Kerstin so plötzlich, dass sie kaum atmen konnte.
»Komm schon. Nun hab dich nicht so.«
Kerstin presste die Knie zusammen. »Wenn du nicht sofort aufhörst …«
»Was dann?«, fragte er lachend und griff fester zu.
Ihr wurde übel. Warum nur hatte Thomas sie nicht abgeholt, warum war sie zu diesem Kerl ins Auto gestiegen?
Mit aller Kraft schlug sie seinen Arm zur Seite, sah, wie die Bierdose zu Boden fiel und sich eine Lache zu seinen Füßen bildete.
Dann tauchte der Laster aus dem Regen auf.

Im Kindle-Shop: Friesensturm: Ein Spiekeroog-Krimi

Mehr über und von Birgit Böckli auf ihrer Website.

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