20. Dezember 2021

'Schicksalspfad des Tempelritters 2 - Adelsintrigen' von Olivièr Declear

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Buchreihe | Autorenseite
Anno Domini 1235 in Köln: Die Ländereien der verzweifelten Gräfin Ida von Zudendorp werden seit langem von schwarzgekleideten Reitern angegriffen. Sie und ihre Gefolgschaft ringen bereits mit dem Tode. In ihrer Not stehen nur noch der kampferfahrene Ritter Richard von Portus und der Orden der Tempelritter an ihrer Seite. Wer will der Gräfin schaden? Und warum?

Inmitten einer Welt voller Intrigen, adeliger Machtspiele und unzähliger Gefahren wollen die beiden die Wahrheit ergründen. Eine Reise beginnt, die sie unter größten Strapazen und unter Einsatz ihrer Leben sogar bis in das weitentfernte Rom führt.

Begeben Sie sich gemeinsam mit Ida und Richard auf ein Abenteuer und erleben Sie mit ihnen das Mittelalter in all seinen Facetten.

Anleser:
Fluch
Richard hörte das Peitschen der Zweige, spürte die Schläge durch das Polster seiner Rüstung. Der Weg vor ihm, ein wankendes Bild im ständigen Auf und Ab des wilden Ritts. Der dunkle Pfad des Waldweges nur schwach vom durchscheinenden Mondlicht erhellt. Die Last des ohnmächtigen Körpers vor ihm über dem Widerrist schien die vertraute Einheit zu seinem Tier genommen zu haben. Richard hielt sich kaum im Sattel, wenn sein Pferd über Hindernisse sprang, die er nicht im schwachen Licht erahnt hatte. Durch die dicke Polsterhaube unter seiner Kette vernahm er nur wenige Geräusche seiner Umgebung. Das Reiben und Schlagen der Kettenglieder übertönte beinahe die kräftigen Hufschläge seines Tieres. Bei dem hastigen Versuch, einem tiefhängenden Ast auszuweichen, spürte er, wie der vor ihm liegende Körper vom Pferd zu gleiten drohte. Mit einem raschen Griff erfasste er ihn und hielt ihn an seinem Platz. Es war mehr das Gefühl in seinem Bauch, das Trommelschlägen glich, weniger sein Gehör, das ihn spüren ließ, dass die Verfolger immer näher kamen. Wie feiner Sprühregen flog ihm der Speichel seines erschöpften Pferdes entgegen.
Richard trieb sein Tier, das an die Grenzen seiner Kraft gekommen war, immer aufs Neue an. Die wilde Jagd durfte nicht verloren werden. Sein Hengst fuhr mit dem Kopf herum, als könne er seinem Reiter damit zeigen, dass er diesen scharfen Ritt nicht mehr ertragen konnte. Aber Richard wusste, wie stark sein Pferd war. Seine ganze Hoffnung lag darin, dass die Pferde der Verfolger vor seinem Pferd zusammenbrechen würden. Er rief ihm zu: »Nur ein kurzes Stück, lass mich nicht im Stich!« Sein Pferd schien ihn verstanden zu haben. Nochmals beschleunigte es und flog mit seinem Herrn über den Weg.
Als sein Tier zu straucheln begann, wusste Richard, dass jetzt nur noch der Kampf blieb. Er ließ sein Pferd auslaufen und wandte sich den Verfolgern zu. Aber da war niemand. Er sah keine Reiter. Auch das Trommeln in seinem Bauch spürte er nicht mehr. Vorsichtig lenkte er sein Pferd zwischen die Büsche des Wegesrandes, um den Pfad aus dem Dickicht heraus zu beobachten. Kaum war er in seiner Deckung angekommen, spürte er erneut das Donnern der Hufen, noch bevor er sie hörte. Mehrere Reiter jagten in einer dichten Gruppe an ihm vorbei, ihre Schwerter erhoben. Richard klopfte den Hals seines Pferdes: »Das hast du gut gemacht, alter Freund.«
Kaum war er aus dem Sattel seines Tieres gestiegen, wandte sein Hengst den Kopf und stupste ihn mit seiner Nase, um die Belohnung für seinen treuen Dienst einzufordern. Richard schmunzelte und nahm ein Stück Rübe aus seiner Satteltasche. Mit flacher Hand hielt er es dem Freund hin. »Wenn wir in Sicherheit sind, sollst du besser belohnt werden. Du hast uns das Leben gerettet.«
Sein Blick fiel auf das Mädchen. Noch immer regte sich ihr Körper nicht. Richard nahm den ledernen Schlauch und goss ein wenig Wasser über ihren Kopf. Sie hob ihn erschrocken und sah ihn mit verängstigten Augen an. Richard legte einen Finger vor seinen Mund: »Keine Angst, ich werde dir nichts antun. Wir sind fürs Erste in Sicherheit«, flüsterte er. Das Mädchen sah ihn mit großen Augen an, aus denen die Furchtsamkeit noch nicht gewichen war. Stumm nickte sie und bemühte sich, vom Pferderücken zu gleiten. »Wie ist dein Name, Mädchen?« Leise antwortete sie: »Siena, edler Herr.« Richard betrachtete ihre schmutzige und zerlumpte Kleidung. »Warum haben diese Strauchdiebe dein Dorf überfallen?« Siena wusste auch nicht viel mehr, als er selbst beobachtet hatte. Sie war vom Lärm aus dem Haus gelockt worden und sah eine große Schar Reiter, die wahllos auf jeden einschlug, der ihren Weg kreuzte. Als sie fliehen wollte, spürte sie einen heftigen Schlag, der sie zu Boden stürzen ließ. Mehr konnte auch sie nicht sagen. Auch hatte sie keinen der Reiter erkannt. Richard erzählte ihr: »Wir sahen, wie du von einem Pferd zu Boden gestoßen wurdest. Aber es traf dich kein Huf. Der Schreck nahm dir die Sinne.« Siena sah ihn fragend an. »Ich sah Euch mit Euren Begleitern. Wo sind sie?« Richard schüttelte traurig das Haupt. »Für einfaches Diebesvolk kämpften diese Reiter zu gekonnt. Nur mir ist die Flucht gelungen.« Dann schwieg er, während er in seiner Erinnerung einen Anhaltspunkt suchte, wer für diesen Angriff verantwortlich gewesen sein könnte. Aber er fand nichts, was die Angreifer verraten hätte. »Wir waren auf dem Weg zu der Herrin deines Ortes. Du wirst mich erst einmal dorthin begleiten.« Als sie aufbegehren wollte, sagte er mit strengerer Stimme als gewollt: »Du wirst gehorchen und folgen, wie man es dir heißt. Hast du mich verstanden?« Als sie mit widerwilligem Blick nickte, setzte er milder hinzu: »Die Herrin wird dich sicherlich bald zu deinen Leuten schicken.«
Richard las in ihrem Gesicht, dass diese Hoffnung nur ein schwacher Trost für das Mädchen war. Er konnte verstehen, dass sie sich sorgte und schnell zurückkehren wollte. In diesem Moment galt es jedoch, erst einmal zu erfahren, woher der Angriff gekommen sein könnte und wie zu handeln sei. Der Ritter legte seinen Umhang ab und gab dem Bauernmädchen den Befehl, sich einen Schlafplatz zu suchen. Mit einem freundlichen Lächeln reichte er ihr den Mantel als Decke. Nachdenklich blickend versorgte er sein Pferd, so gut es an diesem Ort möglich war. Der Weg war zu gefährlich und es war zwecklos, in der Nacht durch den Wald zu streifen. Daher entschloss er sich, auf das Licht des beginnenden Tages warten. Mit finsterem Blick beobachtet er die Nacht, während er an den Stamm eines Baumes kauerte. Seine Sinne achteten auf jedes Geräusch des Waldes. Aber die Reiter schienen die Suche aufgegeben zu haben. Die Geräusche des nächtlichen Waldes wurden nur manchmal von dem leisen Schluchzen des Mädchens gestört.
Als er die Magd bei dem ersten Licht wecken wollte, fand er sie bereits wach. Er betrachtete ihre geröteten Augen und die Sorge in ihrem Gesicht. Ob sie überhaupt Schlaf gefunden hatte? Zu gern hätte er ihr tröstende Worte geschenkt. Aber er durfte sich dem Gesinde nicht offenbaren, als wären sie seinesgleichen. Richard brachte ihr Trockenfleisch und reichte ihr den Lederschlauch mit Wasser. Misstrauisch schnupperte Siena an dem Lederschlauch; »Ich soll kein Wasser trinken. Es macht krank.« Richard lachte leise; »Dieses kannst du trinken, es stammt aus meinem Brunnen und ist feinstes Quellwasser. Trink nur, Kind. Wir müssen bald aufbrechen.«
Obwohl er sicher war, dass die Reiter ihnen jetzt nicht mehr auf diesem Pfad entgegenkommen würden, zog er das Kettengeflecht mit der Haube in den Nacken und lauschte aufmerksam nach möglichem Hufschlag. Die Spuren, welche die schweren Pferde auf dem Weg hinterlassen hatten, ließen ihn erkennen, in welcher Eile sie unterwegs gewesen waren. Abrupt endete ihre Spur, als hätten sich die Reiter in Luft aufgelöst. Verwundert hielt Richard an. Er blickte sich um und suchte nach Zeichen, die ihren weiteren Weg verraten könnten. Aber da war nichts. Kein gebrochener Zweig. Keine Spur in den Wald hinein. Wo waren sie geblieben? Vor ihnen lag ein jungfräulicher Weg, auf dem kein Grashalm gebogen war. Kopfschüttelnd setzte er seinen Weg mit Siena fort.
Gegen Mitte des Tages erreichten sie die Ebene, auf der sich die Befestigung befand. Schon von Weitem sah er den Turmhügel aufragen. Die kleine Ansiedlung unter dem Turm war von einem gefluteten Graben umgeben. Diese Ansiedlung erschien jämmerlich gegen die prächtigen und trutzigen Burgen der höheren Lagen. Aber wo es keinen Steinbruch gab, mussten Gräben und Holz als Schutz gegen Diebe reichen. Als sie die Ansiedlung betraten, betrachtete er die arg verfallen Gebäude. Er war vor Jahren das letzte Mal zu Gast. Damals lebte der Herr des Gebietes noch. Der Graf von Zudendorp war ein ewig unzufriedener Mann, mit dem es häufig Grenzstreitigkeiten zu schlichten galt. Sein Herr, der alte Bischof zu Coeln, ließ ihm kaum mehr, als er zum Leben brauchte. Auch unter dem neuen Herrn war es nicht besser geworden. Seit dem der Bau des neuen Domes beschlossen worden war, presste die Kirche ihre Vasallen bis zum Blute.
Am Wohnturm verlangte er, die Gräfin zu sprechen. Es dauerte eine Weile, bis man ihn vorsprechen ließ. Die Gräfin war ebenso verfallen wie ihre Heimstatt. Tiefe Ringe lagen um ihre Augen. Zahlreiche Falten hatten sich in ihr Gesicht gegraben. Richard war erschrocken, wie sich diese einstmals hübsche Frau verändert hatte. »Nun, Graf Richard. Wenn ich mich recht entsinne, seid Ihr selten ein Mann, der frohe Botschaft bringt«, empfing sie ihn kühl. Er verbeugte sich leicht und sah sie einen Moment schweigend an. Dann erwiderte er: »So wird mir wohl weiterhin der Ruf als Bote schlechter Nachrichten bleiben.« Die Gräfin schwankte leicht, während ihre Hand Halt an der Lehne eines Stuhles suchte. »Dann heraus mit Eurer Botschaft. Schlimmer als es ist, kann es ohnehin nicht mehr werden.«
Die Frau tat ihm leid, aber es half nichts, er musste die Nachricht überbringen. »Euer Besitz, eine halbe Tagesreise von hier, wurde überfallen.« Die Gräfin sank kraftlos und bleich auf den Stuhl. Stumm, fast anklagend sah sie Richard an. »Ich weiß nicht mehr über den Umstand, als dass ich meine Begleiter dabei verloren habe und selbst kaum mit dem Leben davongekommen bin. Aber ich habe Euch ein Mädchen des Ortes mitgebracht, die den Überfall überstanden hat.« Dabei griff er hinter sich und führte die hinter ihm stehende Siena nach vorne. Ungelenk verbeugte sich das Bauernmädchen vor seiner Herrin.

Blick ins Buch (Leseprobe)

Labels: ,

17. Dezember 2021

'Wo Schnee nach Liebe riecht' von Lisa Torberg

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Website | Autorenseite
Stephen Winter muss dringend etwas gegen die aberwitzigen Versuche seiner achtjährigen Nichte Maisie unternehmen, ihn zu verheiraten. Sein Leben ist gut, so wie es ist. Er ist Arzt aus Leidenschaft, lebt für seine Patienten und seine Tochter July. Seine todgeweihte Frau hat er damals geheiratet, weil er sie liebte. Eine andere braucht er nicht.

Delaney Beaumont liebt ihre Heimatstadt Montreal und alles, was glitzert und funkelt. Als nach dem Tod eines Eigenbrötlers in einem Banksafe in Mount Pearl jahrhundertealter Schmuck gefunden wird, überwindet sie dafür sogar ihre Flugangst.

Aber warum hat ihr niemand gesagt, dass Neufundland so rückständig ist? Auf einer vereisten Straße ausgerechnet vor diesem Arzt zu stürzen, dessen Nähe trotz der Eiseskälte Hitzeschauer durch ihren Körper jagt, war nicht ihr Plan.

Ein bezaubernder Liebesroman mit Happy-End-Garantie aus dem verschneiten Kanada.

Anleser:
»Miss Woodman ist nicht nur nett, sie ist auch wirklich hübsch, Onkel Stephen.«
Maisie schaut in seine Richtung, während sie ein Stück Kartoffel in den Mund schiebt und zu kauen beginnt. Stephen umklammert Gabel und Messer fester, senkt den Blick und konzentriert sich auf das Fleisch auf seinem Teller. Er darf seine Nichte nicht ansehen, um ihr nicht unwirsch zu antworten. Sosehr er die Siebenjährige mit ihren weizenblonden Locken und den haselnussbraunen Augen liebt, sie nervt.
Hätte ihm vor zwei Jahren, bevor Liam nach Mount Pearl zurückkam, gesagt, dass er Scarlett doch noch heiraten würde, er hätte denjenigen wüst beschimpft. Obwohl Ausfälligkeiten ganz und gar nicht seine Art sind. In diesem Fall hätte er sich jedoch vergessen, denn Liam Cranford hatte ihre Heimatstadt im wahrsten Sinne des Wortes bei Nacht und Nebel dreizehn Jahre zuvor verlassen – ohne Erklärung. Wobei diese wiederum eigentlich auf der Hand lag. Doch Stephen hatte dem Jüngeren nie verziehen, dass er mit seinem Verschwinden das Leben seiner Schwester zerstört hatte.
Die beiden waren jahrelang das Traumpaar schlechthin gewesen. Sie siebzehn, er einundzwanzig und so verliebt, dass niemand daran zweifelte, dass sie spätestens nach dem Abschluss ihrer Studien heiraten würden. Doch dann war alles anders gekommen, und Stephen hatte versucht, damit fertigzuwerden, dass sich seine Schwester von einem glücklichen Teenager in eine melancholische junge Frau verwandelt hatte. Dabei hatte er zwar nie vergessen, dass an all dem einzig Liams Mutter schuld war, die eine große Zahl an Menschen um viel Geld betrogen hatte, sein Groll hatte sich jedoch gegen seinen Freund gerichtet. Bis dieser mit der kleinen Maisie zurückgekommen war und Stephen begriff, wie sehr Liam gelitten und wie umfassend das Verbrechen seiner Mutter sein Leben verändert hatte. Aber all das ist mittlerweile Vergangenheit – und seine Schwester mit ihrem Mann und den drei gemeinsamen Kindern so glücklich, wie Menschen nur sein können.
»Wieso ist es für dich wichtig, dass Miss Woodman hübsch ist, Maisie?« Scarlett wirft ihrer Tochter einen fragenden Blick zu. »Es ist doch egal, wie eine Klassenlehrerin aussieht. Das Entscheidende ist, dass sie euch so viel wie möglich beibringt und ihr gut mit ihr auskommt.«
Stephen schiebt sich ein Stück Fleisch in den Mund und mustert seine Nichte. Maisies Wangen röten sich.
July, seine vierzehnjährige Tochter, rammt ihrer Cousine den Ellenbogen in die Seite. »Jetzt sag es schon!«
Maisies Kopf ruckt herum. »Was denn? Es gibt nichts zu sagen.« Sie presst ihre Lippen aufeinander.
»Das denke ich auch«, murmelt Liam und wirft dabei einen Blick zu der Wippe auf der Bank, in der Noah mit weit aufgerissenen Augen das Gespräch zu verfolgen scheint. Der jüngste Cranford ist zwar erst fünf Monate alt, aber im Gegensatz zu dem knapp ein Jahr älteren Luke, der längst oben in seinem Bettchen liegt, schläft er nur selten, wenn die Familie um den Esstisch versammelt ist. Was wiederum so gut wie jeden Abend im Haus der Cranfords der Fall ist und nicht nur ihn und seine Tochter July, sondern auch die Hunde miteinbezieht. Orlando, der Neufundländer, den er vor drei Jahren für July gekauft hat, und sein jüngerer Bruder Phönix aus derselben Zucht, den Liam und Scarlett Maisie geschenkt haben. Die beiden riesigen schwarzen Wollknäuel liegen wie immer so eng nebeneinander vor dem Kamin, dass man nicht unterscheiden kann, wo der eine beginnt und der andere aufhört. Sie alle wundern sich jeden Abend, dass die beiden sich problemlos voneinander trennen, sobald er mit July und Phönix heimfährt.
»Das beantwortet nicht die Frage, Maisie.« Scarletts Stimme lässt keinen Zweifel daran, dass sie verärgert ist. Nicht weniger als er selbst, um ehrlich zu sein. Nur will er nicht der Grund für Missstimmigkeiten sein. Andererseits ...
»Schau mich bitte an«, fordert seine Schwester ihre Tochter im Befehlston auf. »Erkläre mir, weshalb das Aussehen deiner Klassenlehrerin von Bedeutung ist und warum du das ausgerechnet deinem Onkel sagst.«
Stephen senkt den Blick und verbeißt sich ein Grinsen. Es ist zwar überhaupt nicht lustig, dass seine Nichte ihn mindestens einmal pro Woche mit dem Namen irgendeiner Frau konfrontiert, aber der Grund dafür so offensichtlich, dass er sich fragt, wie Scarlett diesen ausdruckslosen Gesichtsausdruck beibehalten kann. Der ist es nämlich, der ihn zum Lachen reizt.
»Ich will ja nur ... ich meine ... also eigentlich ...« Nicht nur Maisies Wangen sind dunkelrot, mittlerweile zeichnen sich ebensolche Flecken auf ihrem Hals ab. Die Gabel rutscht aus ihrer Hand und schlägt klirrend auf den Rand des Tellers. Sie greift sich an den Rundausschnitt ihres Pullovers und zerrt daran, als ob sie keine Luft bekommen würde. Der Arzt in ihm will aufspringen, um sich zu versichern, dass es dem kleinen Mädchen gut geht. Wäre sie irgendein Kind, würde er das auch tun. Aber sie ist seit der Adoption vor knapp zwei Jahren seine Nichte – und er ist nicht der Einzige im Raum, der weiß, was sie im Schilde führt.
»Zieh den Pullover aus, falls dir heiß ist, Maisie.« Liam kommt seiner Frau zu Hilfe, die offenbar einen inneren Kampf ausficht, der Stephens nicht unähnlich ist. »Und dann beantworte die Frage.«
Maisie erstarrt, reißt ihre Augen weit auf und starrt ihren geliebten Daddy an. Stephen spießt ein Stück Fleisch auf die Gabel und schiebt es sich in den Mund, auf die Gefahr hin, dass er daran ersticken könnte. Denn es ist das erste Mal, dass Liam nicht beschwichtigend eingreift, wenn es um Maisie geht. Seit dem Tod seines Freundes Robert war er lange Zeit der einzige Rückhalt für das kleine Mädchen, dessen Mutter bei ihrer Geburt gestorben war – und sie für ihn. Doch offenbar hat Maisie mit ihren Versuchen, Stephen an die Frau zu bringen, auch bei Liam die Grenze des Erträglichen erreicht.
Maisie zerrt an ihrem Ärmel, prustet, schiebt den Pullover über ihren Kopf und schüttelt ihn von ihrem zweiten Arm. Er fällt von der Bank und sie hebt in einer theatralischen Geste beide Hände hoch, als ob sie jemand mit einer Waffe bedrohen würde.
»Ich will doch nur, dass Onkel Stephen auch endlich eine Frau und eine richtige Familie hat!« Große dicke Tränen rinnen über ihre Wangen.
Stephens Herz ballt sich zusammen und seine Kehle wird eng. Mühsam kämpft er gegen den Bissen an, der in seiner Speiseröhre steckt, greift nach dem Wasserglas, trinkt einen großen Schluck, räuspert sich.
»Maisie, ich habe doch euch alle. Eine bessere Familie könnte ich mir nicht wünschen!«
»Aber du brauchst eine Frau zum Küssen und Kuscheln und Liebhaben. Eine, mit der du ein Baby bekommst, damit July endlich auch ein Brüderchen oder ein Schwesterchen hat. Das wünscht sie sich nämlich!«

Blick ins Buch (Leseprobe)

Labels: ,

16. Dezember 2021

'Schicksalspfad des Tempelritters 1 - Dedericus' von Olivièr Declear

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Buchreihe | Autorenseite
Anno Domini 1225 liegen weite Gebiete Europas in Schutt und Asche, bluten aus im gnadenlosen Krieg um Macht und Religion. Inmitten der Schlachten und Ränkespiele kämpft der junge Tempelritter Dedericus de Loen seinen eigenen Kampf, hin- und hergerissen zwischen Ordenspflicht, Liebe, Glaube und Zweifeln ...

Lesermeinung: Je länger man liest, desto mehr Spannung kommt auf, ohne dass sie nochmal abreißt. Die begleitende Vermittlung historischer Informationen fand ich sehr gut.

Anleser:
Nichts wies an diesem Tage im Jahre des Herrn 1225 auf das drohende Unheil hin. Sicher, vom Isenberg kommt nur der Teufel, sagte das Volk. Schon in seiner Kindheit lauschte Dedericus mit Schaudern den Geschichten über derer von Isenberg, die sich die Mägde in der Küche erzählten.
Der Teufel tanze des Nachts im Mondenschein um deren Burg. Werwölfe und Hexen raubten den Dörfern um diesen Schreckensort die Kinder und Mägde.
Die Geister der verlorenen Seelen hörte man des Nachts in den Wäldern heulen und jammern.
Aber nicht der Teufel, nicht Hexen und Werwölfe kamen mit dem Isenberg, er kam mit Feuer und Schwert über ihre Burg.
Ramus de Loen eilte auf den Turm und rief die wenigen Männer zur Verteidigung. Sein Sohn, Dedericus, bekam die Aufgabe, die Frauen und Kinder im Turm zu sammeln und zur Ruhe zu bewegen.
In kurzer Zeit stand alles in Flammen, auch der Turm konnte nicht vor den geworfenen Fackeln und den Brandpfeilen der Isenberger Mannen behütet werden.
Der Rauch biss unerträglich in den Augen und die Hitze der brennenden Bodenbohlen auf den Etagen kam immer näher. Das Bersten der Tragbalken und die einstürzenden Böden stoben Kaskaden von Funken immer tiefer in den Turm hinein.
Die Männer bemühten sich vergeblich, die brennenden Etagen zu löschen und zogen sich in ihrem Kampf immer weiter in die Tiefe des Turmes zurück.
Ein Balken des letzten Bodens stürzte brennend auf Dedericus Schwester. Mit einem Aufschrei des Entsetzens stürzte die Gräfin De Loen durch den beißenden Rauch und Funkenregen in die Flammen des brennenden Balkens, um ihr Kind zu retten.
Sie spürte nicht, wie die heiße Asche ihre Kleidung und Haut umfing. Ignorierte den Schmerz der Glut unter ihren Knien.
Dedericus sah die Männer seines Vaters den Balken von dem zerschmetterten Körper zerren, während sein Vater die brennenden Kleider seiner Mutter mit seinem Umhang zu löschen suchte.
Dieses unglaubliche Inferno um ihn herum, das Schreien, Weinen, die Gluthitze der Flammen, umgeben von Rauch und Funkenflug, ließ ihn erstarren. Das Geschehen schien ihm wie ein schrecklicher Traum, nicht wahrnehmend, dass dieser Albtraum in den Tag entsprungen war.
Der harte Griff eines Mannes erfasste seinen rechten Arm und zog Dedericus durch das Inferno. Er folgte ohne Willen und Verstehen. Dem Schock des Entsetzens ergeben.
Der junge De Loen sah, wie er in den schmalen Einstieg des Fluchtganges des Turmes gezerrt wurde, wie Knechte an ihm vorbei stürmten, um die schweren Eichenflügel des Durchganges zu versperren.
Immer tiefer wurde er in die Finsternis des Ganges gezogen. Dedericus vernahm, wie sein Vater den Befehl gab, die Stützpfeiler vor dem Gang einzubrechen. Sah Männer in der Dunkelheit verschwinden und hörte die dumpfen Schläge von Hämmern auf das schwere Holz des Gebälks.
Das Bersten der Stützen und das Geräusch des einstürzenden Ganges ließen den Boden unter seinen Füßen erbeben.
Als die Flüchtenden von dem Staub des eingestürzten Erdreiches erreicht wurden, kam erneut Leben in den Körper des jungen Mannes.
Mit einem heftigen Ruck befreite sich Dedericus von dem schmerzenden, eisernen Griff des Mannes, der ihn durch den Tunnel zog.
Mit raschem Schritt folgte er dem kaum vorhandenen Schein einer fast erloschenen Fackel. Es erschien Dedericus wie eine Unendlichkeit, bis sie zum Ausgang des Fluchtweges gelangten.
Einige der Männer hoben in schier übermenschlicher Anstrengung die schweren Bretter über ihren Köpfen, welche von dickem Erdreich bedeckt waren, aus ihren Fugen.
Von außen war der Ausgang nicht vom restlichen Waldboden zu unterscheiden.
Als die Abdeckung aufgestoßen war, stiegen die Fliehenden über die rutschigen, unebenen Stufen hinauf in den Wald, nahe dem Hellweg.

Blick ins Buch (Leseprobe)

Labels: , ,

10. Dezember 2021

'Mal düster, mal heiter' von Bernd Töpfer

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Autorenseite bei Amazon
Abwechslungsreich wie das Wetter gestaltet sich das menschliche Leben. Mal traurig und mal heiter sind die Kurzgeschichten von Bernd Töpfer. Traurig, aber aus dem Leben gegriffen. Dann wieder humorvoll, wobei die Fantasie der Realität sehr nahe kommt. Und als Bonus gibt es in Form von Versen tierischen Blödsinn.

Anleser:
Es begann im Winter

Am Rande der Kleinstadt gibt es einen Park mit einer kleinen Anhöhe. Es ist Januar, es liegt viel Schnee und die Kinder rodeln begeistert den Hügel hinab. Danach ziehen sie den Schlitten nach oben, um daraufhin wieder kreischend runter zu sausen. Ohne zu ermüden.
Unten am Hügel, seitlich der Rodelbahn, steht Marie und schaut dem Treiben traurig zu. Gern würde sie wie die anderen Kinder rodeln, doch leider haben ihre Eltern kein Geld für einen Schlitten. Sie gehören zu den armen Leuten. Vielleicht im nächsten Jahr, haben sie gesagt. Aber das glaubt die Zehnjährige nicht, denn die gleichen Worte haben die Eltern im Vorjahr und die Jahre zuvor benutzt. Immer ging irgendwas im Haushalt kaputt, da war eine Neuanschaffung oder Reparatur dringender nötig als ein Schlitten.
Vor Marie, gerade mal zwei Meter entfernt, kommt ein Junge nach der Abfahrt mit seinem Schlitten zum Stehen. »Willst du mal mitfahren?«
»Wer, ich?« Marie sieht ihn erstaunt an. Sie kann es nicht glauben, der fremde Junge lädt sie zum Rodeln ein. Natürlich möchte sie gern.
Der zwölfjährige Helmut nimmt sie bei der Hand und gemeinsam laufen sie den Hügel hinauf. Oben setzen sie sich auf den Schlitten, Marie vorn, er hinter ihr, und runter geht’s. Sie schreit während des Rodelns vor Begeisterung. Die Abfahrt dauert nicht lange, nur ein paar Sekunden. Doch diese kurze Zeit reicht, um Marie glücklich zu machen. Unten angekommen bedankt sie sich bei Helmut. Bevor sie zum vorherigen Aussichtsplatz zurückkehren will, hält er sie zurück und nimmt sie wieder mit nach oben.
»Setz dich in die Mitte, jetzt fährst du mal allein.«
Maries Herz klopft aufgeregt. Sie ist noch nie allein Schlitten gefahren. Aber was soll daran schwer sein, überlegt sie. Dennoch ist sie schon ein wenig angespannt. Helmut schiebt sie an, und schon schlittert sie abwärts. Marie ist so glücklich, das muss sie später unbedingt den Eltern erzählen und der fünf Jahre jüngeren Schwester.
Unten angekommen, steht sie vom Schlitten auf, dreht sich um und schaut zu Helmut. Der winkt ihr zu und deutet damit an, sie soll wieder nach oben kommen.
Den Schlitten hinter sich herziehend, begibt sich Marie auf die Anhöhe. Wie schön muss es wohl sein, wenn sie auf einem richtig großen Berg wäre und dann ganz lang weit nach unten rodeln könnte. Viele, viele Minuten lang. Das möchte Marie irgendwann einmal machen. Ja, das wird sie tun, irgendwann, schwört sie sich.

***

Sechzig Jahre später, wieder Januar. Marie steht an Helmuts Grab. Es ist mit Schnee bedeckt. Das Grab ist noch frisch, gerade mal neun Tage alt. Sie kann es nicht verstehen, Helmut hat sie einfach allein gelassen. Warum? Er legte sich abends ins Bett und wachte am anderen Morgen nicht mehr auf. Er war nie krank. Immer kerngesund.
Einen schönen Tod hast du gehabt, redet sie im Stillen mit ihm. Doch es war zu früh, mein Lieber, viel zu früh. Was soll ich jetzt allein? Immer hast du dich um mich gekümmert. Weißt du noch, damals beim Schlittenfahren? Mein Gott, da waren wir noch Kinder. Du hast mich zum Rodeln eingeladen. Das war meine erste Schlittenfahrt. Eine ganze Stunde lang sind wir pausenlos den Hügel hinauf und wieder hinunter. Das war einer meiner glücklichsten Momente. Am nächsten Tag haben wir uns wieder getroffen, und du hast dir Zeit für mich genommen. Im Sommer hast du mich auf deinem Fahrrad mitgenommen, hinten auf dem Gepäckträger saß ich. Da sind wir bei schönem Wetter zum Baggersee gefahren. Und dann kam wieder der Winter. Du hast mir deinen Schlitten geschenkt, weil du zu Weihnachten von deinen Eltern Skier bekommen hattest. Ich wollte dein Geschenk nicht annehmen, was würden deine Eltern dazu sagen?, habe ich dich gefragt. Doch die hatten zugestimmt. Ein wenig schämte ich mich, weil meine Eltern arm waren. Und zu Weihnachten bekam ich wieder keinen Schlitten geschenkt. Dass deine Eltern nichts dagegen hatten, meine Güte, das war damals mein schönstes Weihnachtsgeschenk. Wir waren Kinder und wussten noch nichts von Liebe. Aber es war der Anfang von etwas Großem. Wir sahen uns öfter. Du warst immer für mich da. Ich konnte mit allen Problemen zu dir kommen. In Mathematik war ich ein bisschen blöd, da hast du mir beim Lernen geholfen. Ich konnte sogar meine Note verbessern. Und weißt du noch, unser erster Kuss? Mein Gott, es war ja eher nur ein sanftes Berühren der Lippen. Es war alles neu für uns. Und wir waren so jung. Dennoch spürten wir eine besondere Zuneigung füreinander. Ich hatte meine ersten schönen Träume, Sehnsüchte. Für mich gab es nur noch dich. Dir das zu gestehen, traute ich mich nicht. Damals war ja eine ganz andere Zeit. Ich glaubte, dass gehöre sich nicht, dass ein Mädchen einem Mann seine Liebe gesteht. Zumindest glaubte ich es früher. Ach Helmut, du warst mein Held, mein Idol, meine große Liebe, das ganze Leben lang. An deiner Seite war ich glücklich bis zum letzten Tag. Du hast mich auf Händen getragen, dich fürsorglich um mich gekümmert. Ich war deine Prinzessin. Und jetzt bist du gegangen, ohne ein Wort, nicht mal einen letzten Gruß. Was soll ich ohne dich? Ohne dein Lachen, deine Liebe, deine Fürsorge. Was meinst du? Unsere Kinder? Ja, die schauen oft bei mir vorbei. Aber die haben ihr eigenes Leben, und ich bin ja nicht gebrechlich. Ich kann allein für mich sorgen. Aber abends, wenn ich allein zuhause sitze, dein Sessel leer bleibt …
Gestern war ich im Keller, ich wollte mich ablenken, musste mich beschäftigen. Ich hatte vor aufzuräumen und alten Plunder wegzuschmeißen. Weißt du, was ich da entdeckt habe? Ganz hinten in einer Ecke? Deinen alten Schlitten. Meinen Schlitten. Mein Gott, da sind mir die Tränen gekommen.
Ich habe daraufhin den Keller gelassen, wie er war. Ich wollte nicht noch mehr Erinnerungsstücke finden. Mein Lieber, was soll ich ohne dich? Ich esse wenig, habe überhaupt keinen Appetit. Du hast ein großes Loch in meinem Leben hinterlassen. In unserem Leben. Ich fühle mich lebend tot. Wenn die Kinder nicht wären, die Enkelkinder …
Marie hält weitere zwei Monate durch. Eines Abends nimmt sie ihr Hochzeitsfoto in die Hand. Tränen laufen ihr die Wange hinunter. Ich komme jetzt zu dir, murmelt sie leise. Dann nimmt sie all die gesammelten Schlaftabletten und legt sich ins Bett.
Am nächsten Nachmittag kommen ihre Tochter und die Enkelin zu Besuch. Sie können nicht fassen, dass die Mutter diesen Weg gewählt hat. Warum? Wir sind doch für sie da.
Marie hat einen Abschiedsbrief hinterlassen. Es täte ihr schrecklich leid, sie will ihnen allen nicht weh tun, aber sie wäre am Ende ihrer Kräfte. Ohne ihren Helmut, nein, das sei kein Leben mehr. Sie wolle zu ihm.
Es fiel den Hinterbliebenen schwer, diesen Grund zu akzeptieren. Man kann sich kaum in die Gefühlswelt eines anderen Menschen hineinversetzen, auch dann nicht, wenn es das eigene Fleisch und Blut ist.

Blick ins Buch (Leseprobe)

Labels: ,

9. Dezember 2021

'Ohne Plan - aber mit Herz' von Xenia Hügel

Buchbestellung
Website Xenia Hügel
Xenia Hügel stellt in ihrem Buch eine beispielhafte humanitäre Aktion vor, bei der sie enormen ehrenamtlichen Einsatz zeigt, um die Not von Kindern und Frauen mit Hilfe zur Selbsthilfe in Uganda zu lindern und ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen. Mittlerweile hat sie auch in Gambia ein Projekt zur Gesundheitsversorgung ins Leben gerufen.

Ein berührendes Buch zum Preis von 14 Euro, wovon zwei Euro des Erlöses als Spende an »Sounds of Hope« gehen.

Anleser:
Jede schlechte Charaktereigenschaft lässt sich ohne Probleme in eine gute Eigenschaft umwandeln – jede Medaille hat zwei Seiten. Ich für meinen Teil bin ein sehr ungeduldiger Mensch und kann schon mal zum berühmten HB-Männchen werden, aber in guter Form lässt mich diese Eigenschaft schnell handeln und für das Gute kämpfen. Man sollte seine innere Mitte nicht aus den Augen lassen. Diesen Punkt habe ich während meiner Arbeit mit Nicholas sehr oft »vergessen«. Aber das war und ist nicht so wichtig. Wichtig ist für mich immer, dass es weiter geht und dass wir als Menschheit alle eins sind und wir einander helfen, uns gegenseitig unterstützen.

Mehr Infos zum Buch

Labels:

'Schicksalspfad des Tempelritters 3 - Flammende Himmel' von Olivièr Declear

Kindle (unlimited) | Taschenbuch
Buchreihe | Autorenseite
Im Spätherbst 1290 verzehren lodernde Flammen das Marktviertel von Accon. Unzufriedene Söldner verwüsten die Stadt. Brände bedrohen das Marktviertel. Erst das beherzte Eingreifen der Ritterorden beendet das Massaker unter der Bevölkerung.

Der Tempelritter Gernòd de Loen gerät mit seinen Freunden in Gefangenschaft. Auf einem Sklavenmarkt werden sie an den mächtigen Schriftgelehrten des Sultans, Abu I-Fada, verkauft und nur ihr unbeugsamer Wille, die Stadt Accon vor der erneut drohenden Gefahr zu warnen, lässt sie überleben. Als sie endlich die Mauern von Accon erreichen, bereiten sie sich mit den Bewohnern der Stadt auf den herannahenden Krieg vor.

Lesermeinung: "Ein sehr gelungenes Buch. Der Autor lässt einen an der Gefühlswelt der Menschen jener Zeit, ihrer Lebensweise, Gebräuche, Urteile und Vorurteile teilhaben."

Anleser:
Neugierig spähte Gernòd über die Dächer des Marktviertels der Stadt. Er betrachtete die Rauchsäulen, welche sich dunkel in den klaren Himmel erhoben. Die Glocken der Stadt sandten ihren mahnenden Klang bis zu ihm auf dem äußersten Winkel des Wehrwalls. Eine Gruppe Wachsoldaten eilte über das grobe Steinpflaster der Straße und warf ihm fragende Blicke zu. Gernòds Augen streiften sie, während sich sein linker Arm in Richtung Rauchsäulen erhob. »Im Marktviertel!«, rief er hinunter. Ohne ihn weiter zu beachten, hasteten sie durch die enge Gasse. Der Klang ihrer Schilde auf der schweren Rüstung, der bei jedem ihrer Schritte ertönte, verlor sich mit ihnen hinter der nächsten Wegbiegung. Sorgenvoll richteten sich seine Augen erneut auf die Rauchsäulen.
Das Marktviertel mit seinen zahlreichen Holzverschlägen bot einer Feuersbrunst ein fruchtbares Ziel. Erste Flammen stiegen bereits züngelnd an einem Dach empor, als dienten ihnen die Lehmziegel als Nahrung. Accon, die letzte befestigte Stadt des einstmals mächtigen Kreuzfahrerheeres, war in größter Gefahr. Gernòds Herz schlug heftig in seiner Brust. Nicht durch die Hand der verhassten Sarazenen, sondern durch die Unachtsamkeit eines Händlers, vermutete er, sei dieser Brand entstanden.
Erneut kam ein Trupp Männer in seine Sicht. Schon von weitem erkannte er die weißen und braunen Mäntel seiner Brüder mit dem blutroten Kreuz des Templerordens über den Herzen. Ihr Anführer, Bruder Durmonte, wies mit wenigen, herrischen Armbewegungen drei dienende Brüder auf den Wehrwall hinauf und Gernòd zu sich herab. »Aufruhr im Marktviertel!«, rief er ihm entgegen und eilte mit wehendem Mantel an der Spitze seiner Männer in Richtung des Marktes. Gernòd hastete über den schmalen Stieg des Walls hinunter und eilte seinen Brüdern nach. »Aufruhr«, dachte er. Vermutlich waren es wieder einmal Söldner, denen der hohe Preis der Händler nicht gefiel, oder die keinen weiteren Kredit erhielten.
Gernòd spürte das unebene Pflaster der Straße unter den dünnen Ledersohlen, während er seinem Trupp hinterherhetzte. Einige Türen der Häuser öffneten sich einen Spalt breit, um neugierigen Augenpaaren den Blick auf die lärmenden Brüder zu bieten. Kaum hatte Gernòd seine Kameraden eingeholt, bog der Trupp in einen der Hauptwege ein. Vor ihnen strömten Soldaten der anderen Wachen aus den Seitengassen. Hospitaliter, Deutschritter und Söldnertruppen stürmten auf die Straße. Die Glocken aller Kirchen und Wachen erhoben sich über dem Lärm, drangen von allen Seiten auf die Soldaten ein und mahnten sie zur Eile. Verständigende Blicke trafen sich auf ihrem Weg, ernste Gesichter nickten sich grüßend zu. In jedem Antlitz las man die Spannung auf die vor ihnen liegende Bedrohung.
Ohne den hastigen Schritt aufzugeben, löste Gernòd den Schildgurt und führte seine Faust durch die Armriemen. Mit der freien Hand tastete er sich am Waffengurt entlang, bis er den Kopf seiner Axt spürte. Er schob die Schlaufe über dem Axtkopf mit dem Daumen beiseite und zog die Waffe aus dem Gurt. Mit einer Aufwärtsbewegung ließ er den Griff in seine Hand gleiten. Er war für den Kampf bereit.
Vor ihnen erhob sich das Holztor des Marktviertels. Es stand weit geöffnet und die Wachen wiesen mit ausladenden Bewegungen den Weg. »Die Lombarden und Toskaner!«, scholl es ihnen entgegen. Brandgeruch lag in den engen Gassen und Rauchschwaden minderten die Sicht. Gellende Schreie und Kampfeslärm drang aus den Seitenwegen. Um sie herum lagen die Leichen einheimischer Händler auf dem Weg – zwischen ihnen ihre Frauen und Kinder. Gernòds Weg führte durch breite Blutlachen. Er war gezwungen über umherliegende Körper zu springen. Laut klagende Menschen hockten bei den reglosen Körpern und hoben ihre verzweifelten, tränenüberströmten Gesichter den herbeieilenden Truppen entgegen.

Blick ins Buch (Leseprobe)

Labels: ,